Ein Song von den Beatles, ein irischer Coming-of-Age-Film und das Werk von Mary Ellen Mark

Hin und wieder schweigen

Popkolumne. »The Quiet Girl«, Mary Ellen Mark und die Beatles.
Die Summens Von

»So viele haben die Gelegenheit verpasst, einfach zu schweigen.« Dieser großartige Satz stammt aus dem Spielfilm »The Quiet Girl« (Das stille Mädchen) von Colm Bairéad, der jetzt in den deutschen Kinos läuft. In dem Filmjuwel aus Irland geht es um ein verschwiegenes Mädchen, das von seinen lieblosen Eltern über den Sommer einfach auf der Farm der kinderlosen Verwandtschaft geparkt wird.

Aus der atemberaubend eingefangenen Perspektive der zehnjährigen Cait zeigt der Film die von Armut geprägten Lebensumstände des Mädchens, mit einem aggressiven Vater, einer überforderten Mutter und vernachlässigten Geschwistern. Aber auch ihre ungewohnt zugewandte Tante und Caits anfangs recht re­servierter Onkel scheinen nicht glücklich, sondern ein äußerst schmerzvolles Geheimnis mit sich herumzutragen. Caits kluger Blick ist wie ein Spiegel, der die Welt zeigt, wie sie ist: mit all ihrer Grausamkeit, aber auch voller Momente der Schönheit, Magie und Güte.

Einen unverfälschten Blick auf die Armen, Benachteiligten und Ausgestoßenen zeigen die Aufnahmen der US-amerikanischen Fotografin Mary Ellen Mark (1940–2015).

Einen unverfälschten Blick auf die Armen, Benachteiligten und Ausgestoßenen zeigen auch die Aufnahmen der US-amerikanischen Fotografin Mary Ellen Mark (1940–2015). Das c/o Berlin zeigt erstmalig ihr beeindruckendes Lebenswerk. Darunter sind die Fotos der Serie »The Damm Family in Their Car«, 1987, die das Leben einer vierköpfigen Familie in einem heruntergekommen Auto dokumentiert.

Noch weiter zurück liegt der Ursprung der »neuen« Beatles-Single »Now and Then«: Für die wurde John Lennons Stimme aus einer Aufnahme der späten Siebziger genommen, ein neuer Song daraus gebastelt sowie ein Musikvideo mit den fab four erstellt. John Lennon und KI als Buzzwords – das verspricht Aufmerksamkeit. Schließlich will man die frisch restaurierten, blauen und roten Beatles-Hit-Alben im Weihnachtsgeschäft verticken.

Das alte neue Beatles-Lied hört sich aber nicht wie ein fertiger Song an, eher wie eine schön ausproduzierte Coda, wie der ausklingende Teil eines Musikstücks heißt. Dank Co-Writer Jeff Lynne (ELO) klingt das Stück aber wie gemacht für das nächste »Guardians of the Galaxy«-Abenteuer.

Danach kann man sich genüsslich die neue MGMT-Single »Mother Nature« anhören – noch so ein Comeback mit starken Beatles-Vibes für die Herbstmelancholie dieser Tage, zu der man einfach mal drei wohltuende Minuten schweigen kann.