Sanktionsdrohungen sollen die Amtseinsetzung von Bernardo Arévalo, des gewählten Präsidenten Guatemalas, erzwingen

Schlappe für die Korrupten

Rund zwei Wochen vor der Vereidigung des designierten Präsidenten Bernardo Arévalo scheint der »Pakt der Korrupten« gescheitert mit seinen Versuchen, dessen Amtsübernahme zu verhindern.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) will am 14. Januar bei der Vereidigung des designierten neuen guatemaltekischen Präsidenten Bernardo Arévalo und der Vizepräsidentin Karin Herrera anwesend sein – in Person von Luis Almagro. Das ist ein gutes Zeichen, denn der Generalsekretär der OAS hat in den vergangenen Wochen immer wieder klar Position bezogen und vor einem »juristischen Staatsstreich« in Guatemala gewarnt, der dem designierten Präsidenten die Amtsübernahme verunmöglichen soll.

Das letzte derartige Manöver erfolgte am 8. Dezember aus dem Ministerio Público, der Generalstaatsanwaltschaft; sie versuchte, die Wahlen vom 20. August in Bausch und Bogen zu annullieren – wegen »Unregelmäßigkeiten«. Dem durchsichtigen Vorstoß aus dem von Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras gelenkten und hochkorrupten Justizapparat begegnete die sogenannte internationale Gemeinschaft überraschend einmütig: Sie drohte mit ökonomischen Sanktionen und ließ dem auch gleich Taten folgen.

Den Auftakt machten die USA, die 300 Guatemaltek:innen die Visa für die Einreise in die USA entzogen, dar­unter 108 Parlamentarier:innen, etlichen Un­ternehmer:innen und Ver­tre­ter:innen staatlicher Institutionen. Das war am 11. Dezember, einen Tag später zog das Europäische Parlament nach und beschloss mit 432 zu neun Stimmen über alle Fraktionen hinweg, den Europarat aufzufordern, Einreisebeschränkungen gegen die Haupt­beteiligten des juristischen Putschversuchs zu verhängen und zudem deren Besitztümer in Europa zu beschlagnahmen. Auch die OAS handelte und beschloss ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung, nach Artikel 18 ihrer Charta den Weg für Sank­tionen bis hin zum temporären Ausschluss Guatemalas aus der Organisation frei zu machen.

Beeindruckend ist nicht nur die Mobilisierungsfähigkeit, sondern auch die ­Entschlossenheit, mit der seit Wochen Kundgebungen, Demonstrationen und anfangs auch Straßenblockaden durchgeführt wurden.

Die Einmütigkeit dieser Reaktionen ist vollkommen neu, derlei hat es so in der von Diktaturen und Putschen geprägten jüngeren Geschichte Guatemalas noch nicht gegeben. Weder 1954, als die demokratisch legitimierte linke Regierung von Jacobo Árbenz durch einem von der CIA orchestrierten Putsch gestürzt wurde, noch 1981, als der Bürgerkrieg unter Diktator Efraín Ríos Montt eskalierte, und auch nicht 2019. Da übernahm der »Pakt der Korrupten« endgültig die Macht und der damalige Präsident Jimmy Morales warf die 2006 installierte UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) aus dem Land – möglich war dies auch dank internationaler Apathie.

Drei Zäsuren in Guatemalas jüngerer Geschichte, bei denen die »internationale Gemeinschaft« die fragile Demokratiebewegung im bevölkerungsreichsten Land Mittelamerikas im Stich gelassen habe, kritisierte der guatemaltekische Journalist Martín Pellecer in einem Beitrag für die New York Times im Sommer 2019. Diesmal sind die Vorzeichen deutlich anders und es hat den Anschein, dass der vierte Versuch, ein von Korruption, Klientelismus und oligarchischen Strukturen geprägtes Land zu demokratisieren, nicht gleich im Ansatz scheitern muss.

Dafür sorgt das einmütige Vorgehen der USA, der Europaparlaments und der OAS, aber auch der indigenen Orga­nisationen, die seit Anfang Oktober die landesweiten Proteste koordinieren und nicht locker lassen. Beeindruckend ist nicht nur deren Mobilisierungsfähigkeit, sondern auch die ­Entschlossenheit, mit der seit Wochen Kundgebungen, Demonstrationen und anfangs auch Straßenblockaden durchgeführt wurden. Die indigenen Gemeinden scheinen dazugelernt zu haben, wissen, dass rund 40 Prozent des Staatshaushalts in dubiosen Kanälen versickern und dass sie von diesem Mittelabfluss überproportional stark geschädigt werden. »Deshalb verteidigen wir die Reste der Demokratie in Guatemala«, meint Bernardo Caal Xol, ein indigener Repräsentant aus dem Verwaltungsbezirk Alta Verapaz, der die Protestbewegung unterstützt.

Am 26. Dezember ordnete die Strafgerichtskammer des Corte Suprema, des höchsten Gerichts nach dem Verfassungsgericht, die Freilassung der Staatsanwältin Virginia Laparra an.

Es gebe viele wie Caal Xol, meint Héctor Reyes, Jurist und Direktor der Menschenrechtsorganisation CALDH. Er weist darauf hin, dass die neue sozialdemokratisch ausgerichtete Regierung eine aktive Zivilgesellschaft benötige, um sich vor allem im ersten Jahr im Amt halten zu können. »Vor allem aus der Justiz ist der Druck mörderisch, denn die Generalstaatsanwältin wird keine Chance auslassen, um der neuen Regierung Knüppel zwischen die Beine zu werfen.« Ein Hoffnungsschimmer sind allerdings die jüngsten Urteile von Richtern und Richterinnen, die den Weisungen aus dem Ministerio Público nicht wie gewohnt Folge leisten.

Nur ein Beispiel: Am 26. Dezember ordnete die Strafgerichtskammer des Corte Suprema, des höchsten Gerichts nach dem Verfassungsgericht, die Freilassung der Staatsanwältin Virginia Laparra an, die sich der Korruptionsbekämpfung verschrieben hatte und wie viele andere Justizbeamte und -angestellte aufgrund fadenscheiniger Belege wegen angeblichen Amtsmissbrauchs inhaftiert worden war. Weil dies kein Einzelfall ist, darf man hoffen, dass das Justizpersonal von der Leitlinie der in Korruption verwickelten und in den USA zur persona non grata erklärten María Consuelo Porras abrücken könnte. Nominierungen neuer, nicht korrupter Richter und Richterinnen halten Reyes und andere Analysten wie den ehemaligen Ombudsmann für Menschenrechte, Jordán Rodas, für entscheidend für die neue Regierung.

Die steht vor einer Mammutaufgabe: Das Movimiento Semilla des designierten Präsidenten stellt nur 23 von 160 Abgeordneten im Parlament, muss gegen einen zwar geschwächten, aber nach wie vor mächtigen Pakt der Korrupten regieren und braucht nationale und internationale Unterstützung – nicht nur beim Übergang, sondern dauerhaft. Nur dann könnte der von Bernardo Arévalo angestrebte guatemaltekische Reformprozess zum Modell in einer zutiefst fragilen Region werden.