Ghana will Homosexualität noch stärker kriminalisieren

Egalitäre Diskriminierung

In Ghana wurde ein neues Gesetz beschlossen, welches »unnatürliche« Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten kriminalisieren soll. Ausgerechnet bei deren fein differenzierter Aufzählung orientiert sich der Gesetzgeber an westlichen Gepflogenheiten.

Ein ungeheuerlicher Trend zeichnet sich ab: Nachdem bereits in Uganda ein Gesetz zur Kriminalisierung von Homosexualität in Kraft gesetzt wurde und Kenia danach strebt, seine entsprechenden Gesetze zu verschärfen, hat auch das Parlament in Ghana einem solchen Entwurf zugestimmt. Das sogenannte ­Gesetz für sexuelle Menschenrechte und Familienwerte soll alle »unna­türlichen« Formen von Sexualität und Geschlechts­identität unter Strafe ­stellen. Vor fast drei Jahren haben es Oppositionspolitiker vorgelegt und am 28. Februar wurde es schließlich einstimmig angenommen. Um in Kraft zu ­treten, fehlt bloß noch die Unterschrift des Präsidenten Nana Akufo-Addo von der liberalkonservativen New Patriotic Party.

Eigentlich gibt es in Ghana längst ein Gesetz, mit dem Homosexuelle verfolgt werden – es wird nur kaum angewandt. Die unter britischer Kolonialherrschaft eingeführten Rechtsnormen sind 1960 bruchlos in das Strafgesetzbuch übergegangen und gelten bis heute.

Das Strafmaß liegt bei bis zu drei Jahren Haft, so auch im neuen Gesetz. Härter soll fortan die Parteinahme für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten geahndet werden: Fünf Jahre Gefängnis wäre die Höchststrafe, zum Beispiel für finanzielle Unterstützung oder öffentliche »Propaganda«. Zudem sollen alle NGOs, die in diesem Bereich arbeiten, aufgelöst werden.

Dass binnen kürzester Zeit eine so erfolgreiche homophobe Massenbewegung entstehen konnte, ist erstaunlich.

Die Kampagne für den Gesetzentwurf galt damals als Reaktion auf die Eröffnung des ersten LGBT-Zentrums in der Hauptstadt Accra. Anfang 2021 feierte die Community im Beisein internationaler Gäste den Fortschritt der ghanaischen Gesellschaft. Darauf folgten unerwartet heftige Anfeindungen durch Kirchen, Parteien und aus der Gesellschaft, so dass die Einrichtung schon nach einem Monat wieder schließen musste. Wenig später wurden 16 Frauen und fünf Männer inhaftiert, weil sie an einem Netzwerktreffen für LGBT-Rechte teilgenommen hatten.

Dass binnen kürzester Zeit eine so erfolgreiche homophobe Massenbewegung entstehen konnte, ist erstaunlich. Noch im Jahr 2017 ergab eine Umfrage der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, dass immerhin 60 Prozent der ghanaischen Bevölkerung der Meinung seien, Homo- und Bisexuelle sollten dieselben Rechte wie Heterosexuelle haben. Das neue Gesetz zielt auf das Gegenteil ab – und doch scheint es dafür große Unterstützung in der Bevölkerung zu geben.

Einen Wendepunkt könnte die 2019 in Ghana abgehaltene Konferenz des World Congress of Families (WCF) dargestellt haben. Denn der Impuls für den Gesetzentwurf kam Recherchen des US-Nachrichtensenders CNN zufolge von dieser Veranstaltung. Beim WCF handelt es sich um ein Netzwerk von Rechten aus den USA und Evangelikalen, das sich im Kampf gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe bereits einen Namen gemacht hat. Nicht nur in Ghana, sondern auch in Uganda und Nigeria soll es als Stichwortgeber für homosexuellenfeindliche Gesetzentwürfe fungiert haben.

In der Tat ist dem ghanaischen Gesetzentwurf ein zeitgenössischer »westlicher« Sprachgebrauch anzumerken, der sich mit seinen rückschrittlichen Forderungen auf eigenartige Weise verschränkt. Angesprochen wird nicht mehr bloß Homosexualität, sondern jedwede Form von Sexualität und Geschlechtsidentität, die von der Norm abweicht. Das geläufige Akronym LGBT wird zu LGBTTQQIAAP+ erweitert, um auch Asexualität, Pansexualität und weitere queere Identitätskategorien zu erfassen. So wird das Paradigma des queeren Diskurses – alle sexuellen und geschlechtlichen Identitäten »sichtbar zu machen« – unverhofft ins Negative gewendet. Die bloße Identifikation mit einer dieser Kategorien soll fortan ausreichen, um staatlich verfolgt zu werden.

Bisher stand die ghanaische ­Regierung dem Westen in vielen politischen Fragen nahe, zum Beispiel in ­ihrer Position zum Ukraine-Krieg.

Auf bizarre Art macht sich der Gesetzgeber die Forderung nach Gleichberechtigung zu eigen. Die alten Formulierungen im Strafgesetzbuch seien ungerecht, weil sie bloß penetrative ­Sexualhandlungen ahnden, wird argumentiert. »Das derzeitige Gesetz scheint Männer zu diskriminieren, da der Geschlechtsverkehr zwischen ­Personen weiblichen Geschlechts beispielsweise nicht erfasst wird«, heißt es im Bericht des Ausschusses für konstitutionelle, rechtliche und parlamentarische Fragen. Die Lösung des Problems lautet also: egalitäre Diskri­minierung.

Der Ausschuss hatte sich nach der ersten Lesung mit dem Gesetzentwurf befasst und zahlreiche Anhörungen sowie Auslandsbesuche anberaumt, um den Entwurf schlussendlich mit marginalen Änderungen an das Par­lament zurückzugeben. Nachdem kein einziger Abgeordneter seine Stimme dagegen erhob, kann jetzt nur noch der Präsident das Inkrafttreten verhindern. Allerdings hatte Akufo-Addo bereits angekündigt, in dieser Entscheidung dem Willen der Mehrheit zu folgen.

Das könnte ihn international in Schwierigkeiten bringen. So haben die USA und die Vereinten Nationen den Parlamentsbeschluss bereits scharf verurteilt. Bisher stand die ghanaische ­Regierung dem Westen in vielen politischen Fragen nahe, zum Beispiel in ­ihrer Position zum Ukraine-Krieg. Wirtschaftlich ist Ghana ein wichtiger ­Kooperationspartner im »Marshallplan mit Afrika«, der aus dem G20-Gipfel 2017 in Hamburg hervorgegangen ist. Noch im ­Oktober 2023 war Bundeskanzler Olaf Scholz daher bei Akufo-Addo zu Besuch. Das Gesetzesvorhaben erwähnte er dabei mit keinem Wort, sondern lobte den ghanaischen Rechtsstaat als Stabilisator in der Region.