Freitag, 14.07.2017 / 14:55 Uhr

Vorsichtige Islamkritik in Saudi-Arabien

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Gastbeitrag von Mercedes Nabert

In Riad, Saudi-Arabien hat der libanesische Islamreformer Prof. Radwan Al-Sayyid jüngst einen Vortrag gehalten, in welchem er wieder auf die Dringlichkeit insistierte, die salafistische Radikalisierung zu stoppen. Die Veranstaltung wurde von der regierungsabhängigen King Faisal Foundation organisiert, die dem Referenten schon Anfang des Jahres ihren gleichnamigen Preis in der Kategorie „Islamwissenschaften“ verliehen hat.

Nach Angaben der Saudi Gazette waren Politiker, Botschafter und Angehörige des höheren akademischen Kader anwesend. Der Vortrag über „das Arbeiten mit dem politischen Islam und wissenschaftlichen Bezügen“ sollte die Erfolge des saudischen „Generalsekretariats“ reflektieren, das wiederum beabsichtigt, eine wichtige Plattform für den wissenschaftlichen Austausch darzustellen. Ferner sollte er über Errungenschaften sprechen, die die Menschheit bereichert haben.

Doch der in Deutschland promovierte Islamwissenschaftler, der als Gastdozent unter anderem in Harvard gearbeitet hat, nutze die Plattform hauptsächlich, um Radikalisierungsprozesse und den politischen Islam zu kritisieren. Unter anderem soll er dabei wieder die Frage beleuchtet haben, warum die muslimische Welt kein einziges Forschungsinstitut für Islamwissenschaften aufziehen konnte, das sich mit britischen, amerikanischen oder auch nur chinesischen Universitäten messen könnte. Und obwohl al-Sayyid nicht Saudi-Arabien direkt adressierte – was er zudem sicher nicht gekonnt hätte – beantworte er es mit dem Zusammenhang, den es zwischen radikalem Salafismus und dem Ausbleiben von Fortschritt gäbe. Es entstünden Hindernisse dadurch, dass viele Muslime an einem starken, theokratischen Staat festhielten, während die Hauptaufgabe eines Staates de facto die Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten sei.

Sich als Wissenschaftler etwa für die Toleranz gegenüber Ungläubigen auszusprechen, was selbstverständlich dem Inhalt saudischer Schulbücher widerspricht, ist auch in der libanesischen Heimat Radwan Al-Sayyids nicht gerne gesehen. Aber seine Thesen, wenn sie auch gewiss immer wieder unangenehm sind, sind nicht unbekannt und scheinen für die Annäherung an den Westen und praktische Fortschritte wichtig zu sein. Dass das Königreich Saudi-Arabien ihn extra dafür einfliegen ließ, um indirekt alles zu kritisieren, wofür es steht, ist ein weiteres Indiz für die tatsächliche Öffnung des Landes.

Noch vor fünf Jahren wurde der Blogger Raif Badawi für vergleichbare Aussagen zu 10 Jahren Gefängnis und 1000 Peitschenhieben verurteilt und eine Begnadigung ist bis heute nicht in Sicht. Doch der Druck sich zu modernisieren ist gleichbleibend und in kleinen Schritten lassen sich Veränderungen und auch Umdenken erkennen. Wenn auch sicherlich noch der Beigeschmack von Symbolpolitik daran haftet, hat sich immerhin ein voller Saal Saudis den Vergleichen zwischen schiitischen und sunnitischen Radikalen und einer Lobrede auf die Säkularisierung ausgesetzt.