Samstag, 09.12.2017 / 08:35 Uhr

Die Palästinenser, Trump und neue Realitäten im Nahen Osten

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Liest man Kommentare in deutschen Medien, so bleibt nichts übrig, als das schlimmste von der Entscheidung des US-Präsidenten zu erwarten, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. „Flächenbrand“, eine dritte Intifada, ein Ende des Friedens, apokalyptische Szenen werden da von Nahostexperten entworfen. Zwar mag man fragen: Frieden? Welcher Frieden? Wo herrscht in dieser Region Frieden? Flächenbrand? Nun, von was sonst zeugen denn die Bilder aus Syrien, dem Jemen und Mosul? Die Katastrophe findet längst statt und hat herzlich wenig zu tun, mit dem, was in Jerusalem, Ramallah oder Tel Aviv passiert.

Die Verurteiling von Trumps Entscheidung ist in Riad, Kairo und anderen arabischen Ländern äußerst milde ausgefallen ist, ja man könnte fast meinen, die Kritik aus Europa an diesem Schritt sei lauter gewesen.

Aber unermüdlich werden die alten Phrasen gedroschen, hinter denen sich wohl auch der Wunsch verbirgt, die so genannte arabische Straße möge so funktionieren, wie es seit Jahren beschworen wird. Denn brennende US- und Israelfahnen und ein Mob, der „Tod den Juden“ brüllt entspricht doch sehr der Projektion, die man von der Region hat.

Dass die Zeiten sich verändert haben und die Palästinenser längst nicht mehr die Rolle spielen, die ihnen über Jahrzehnten zugedacht war,  scheint in deutschen Redaktionsstuben noch nicht angekommen. Es mögen ein paar Tausend Menschen in Amman, Tunesien und vor allem Berlin und Paris demonstriert haben, in Westbank und Gazastreifen die üblichen Verdächtigen wahlweise Raketen abgeschossen oder Steine geschmissen haben und die Hamas zu einem Massenaufstand aufgerufen haben, das alles aber hat mit Flächenbrand wenig zu tun.

Dieser Tage haben die Menschen in der Region einfach ganz andere Sorgen. Cholera, Hunger und die Frage, wie man sein Zelt im Flüchtlingslager winterfest macht etwa. Und für die arabischen Regierungen spielt die Bedrohung durch den Iran eine viel größere Bedrohung, als die Frage, in welchem Sessel nun der amerikanische Botschafter in Israel sitzt.

Der Nahe Osten hat sich seit 2011 einfach grundlegend verändert, wie Zev Chafets richtig festellt:

There was a time when the Palestinian cause galvanized real emotion in the Muslim Middle East. But this is now a different region and a different world. The Arab League, which once wielded an oil weapon, is now a gathering of empty djellabas. Muslim nations outside the region, riven by sectarian dissent and political rivalries, are not going to lift more than an accusing finger. Pope Francis is praying for a return to the status quo, which is fine. Old Europe is disconcerted by the change in American policy, but will come around. Turks are threatening to break relations with Israel, but we’ve seen this movie before, most recently in 2010-2016.

Und er stellt zu recht fest, dass die Verurteilung von Trumps Entscheidung in Riad, Kairo und anderen arabischen Ländern äußerst milde ausgefallen ist, ja man könnte fast meinen, die Kritik aus Europa an diesem Schritt sei lauter gewesen. Denn in der Region weiß man, dass jeder Versuch, den iranischen Vormarsch zurückzudrängen nur in Kooperation mit Israel möglich ist. Jerusalem ist der Preis:

The only way to roll back Iranian aggression is piece by piece, starting in Syria. And the only military power that can help is Israel. Iran is a common enemy, after all. Cooperation is only natural.

The shape of this cooperation is already visible in the night sky over Damascus, where Israeli missiles and air strikes are disassembling Iranian military installations as fast as they are built. It is also discernible in the recent large-scale Israeli Defense Forces maneuvers aimed at prepping for a land war against Iran’s Lebanese puppet, Hezbollah.

This is risky business, even with American backing. Iran is arming Hamas with an eye to a coordinated missile attack on Israeli cities from Gaza and Lebanon. Israel can protect itself, but it would be costly, and there is always the risk of escalation.

Man könnte es auch als als Ironie der Geschichte bezeichnen: Letztlich hätte ohne die expansive Politik Teherans sich wohl auch Trump nicht zu einem solchen Schritt durchgerungen und wenn, wäre der Widerstand in der Region wesentlich heftiger gewesen.