Sonntag, 28.01.2018 / 12:18 Uhr

Neue Flüchtlingswelle in Syrien

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Die NZZ über Hunderttausende Flüchtlinge neue Flüchtlinge in Syrien:

Idlib ist eine Jihadisten-Hochburg, weshalb die Staatenwelt wenig gegen eine koordinierte militärische Übernahme der Provinz einwenden dürfte. Jedoch wird eine solche enormes Leid für Zivilisten mit sich bringen. Einen Plan für deren Schutz hat niemand. Dabei ist seit Monaten klar, dass ein solches Szenario früher oder später kommen wird. Jetzt hat die syrische Armee eine Offensive an den Rändern der Provinz begonnen, und bereits mussten laut Angaben von humanitären Organisationen zwischen 200 000 und 300 000 Menschen vor den Kämpfen fliehen. Die meisten suchten in Idlib und Umgebung Zuflucht. Etwa 50 000 Vertriebene sind in Zeltlagern in der Nähe der türkischen Grenze gestrandet. Diese ist für Flüchtlinge weiterhin geschlossen.

Kurzum, die humanitäre Lage in den Gebieten um Idlib und Afrin ist katastrophal. Bewohner werden auf ein schrumpfendes Gebiet und in überfüllten Lagern zusammengepfercht.

Idlib kann die vielen Flüchtlinge kaum mehr absorbieren. Hier dominieren zwar Jihadisten, die Enklave ist indes auch einer der letzten Zufluchtsorte für oppositionelle Syrer, die von der Regierung verfolgt werden. Allein zwischen 2015 und 2017 sind etwa eine halbe Million Syrer aus anderen Landesteilen hierher geflohen. Rebellen und Angehörige wurden bei Abkommen zur Evakuierung anderer oppositioneller Enklaven in Bussen nach Idlib deportiert. Insgesamt leben in Idlib und Umgebung laut Uno-Schätzungen etwa 2,6 Millionen Menschen. Viele Binnenflüchtlinge hausen in Zeltlagern unter extrem harten Bedingungen, besonders jetzt, bei winterlichen Temperaturen. Wie lange sie dort in Sicherheit sind, wissen sie nicht. Viele mussten schon zwei- oder dreimal fliehen.

Jetzt befürchten Hilfsorganisationen, dass mit der türkischen Offensive auf Afrin eine zweite Flüchtlingswelle droht. Bis jetzt sind etwa 5000 Personen aus Afrin auf der Flucht, wobei 125 000 der insgesamt 320 000 Bewohner der Enklave bereits Binnenflüchtlinge sind. Viele flohen aus Aleppo hierher, als dort die letzte Hochburg der Regimegegner in die Hände der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten fiel. Sonst leben hier viele Kurden, aber auch arabische Syrer, Turkmenen und sogar Jesiden. Humanitäre Organisationen sind besorgt darüber, dass Afrin von der Aussenwelt abgeschnitten werden könnte. Flucht- und Versorgungswege würden damit versperrt. (...)

Kurzum, die humanitäre Lage in den Gebieten um Idlib und Afrin ist katastrophal. Bewohner werden auf ein schrumpfendes Gebiet und in überfüllten Lagern zusammengepfercht – nachdem während Jahren immer mehr Flüchtlinge hierher gekommen sind, die sonst keiner wollte, und nachdem das Regime in zahlreichen Abkommen zur Räumung rebellischer Enklaven illoyale Bürger hierher deportiert hat. Sicher sind die Menschen in diesem Gebiet nirgends – jeder Zufluchtsort von heute kann zur Frontlinie von morgen werden.