Mittwoch, 07.02.2018 / 20:58 Uhr

Bericht aus Kilis

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Aus dem Netz

Aus der syrisch-türkischen Grenzstadt Kilis berichtet Inga Rogg für die taz:

Seit Beginn der türkischen Offensive mit dem Namen „Operation Olivenzweig“ auf Afrin am 20. Januar wird das türkische Grenzgebiet beinahe täglich von Geschossen aus Afrin getroffen. Insgesamt haben die Angriffe bisher sieben Tote und mehr als 100 Verletzte gefordert, allein in Kilis wurden 24 Personen verletzt. „Niemand fühlt sich hier sicher“, sagt Bayramoğlu. „Es kann jederzeit wieder passieren.“

Selbst syrisch-kurdische Parteien und Prominente, die sonst kaum ein gutes Wort für die YPG finden, kritisieren die Militäroffensive scharf.

Nur drei Tage nachdem der Rentner den Angriff auf die Moschee überlebte, schlug vierzig Meter von seiner Wohnung entfernt eine Mörsergranate ein, ein Schrapnell landete direkt neben seinem Fuß. Bayramoğlus Unterstützung für den Krieg im Nachbarland tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil. „Ich fürchte mich nicht“, sagt er und reckt das Kinn. „Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat genau das Richtige getan. Wir alle stehen hinter ihm“, sagt er.

„Terroristen“ nennt Erdoğan die YPG-Kämpfer und -kämpferinnen. Und so sehen es auch die meisten in der rund 100.000 Einwohner zählenden Grenzstadt. Zwar hatte die YPG, die Afrin seit 2012 kontrolliert, bis zu Beginn der Offensive keine Angriffe auf das Nachbarland verübt. Doch die Furcht der türkischen Regierung, dass sich dies ändern könnte, ist nicht unbegründet. Die YPG ging aus der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hervor, mit der Ankara seit fast dreieinhalb Jahrzehnten Krieg führt, unterbrochen nur von einer kurzen Phase, in der beide Seite verhandelten.

Im Schatten des Kriegs gegen die Extremisten des „Islamischen Staates“ (IS), für den sie hohe Opfer erbrachte, baut die YPG in Nordsyrien heute eine Verwaltung nach dem Vorbild der türkischen PKK auf. Verständlich, dass die Regierung in Ankara darin eine Gefahr für die eigene Sicherheit sieht.

Doch mit Bomben und einer Hilfstruppe aus syrischen Kämpfern, unter denen sich auch radikale Islamisten befinden, wird Erdoğan die YPG nicht aus der Welt schaffen. Sie genießt unter den syrischen Kurden echten Rückhalt. Selbst syrisch-kurdische Parteien und Prominente, die sonst kaum ein gutes Wort für die YPG finden, kritisieren die Militäroffensive scharf. Doch davon will man in Kilis nichts wissen.