Montag, 05.02.2018 / 00:39 Uhr

Türkei: 1984 und 2018

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Aus dem Netz

Bülent Mumay in der FAZ über die Jahre 1984 und 2018 in der Türkei:

1984: Juntachef Kenan Evren lässt gegen die Intellektuellen, die er auf der Kundgebung als Vaterlandsverräter brandmarkte, Ermittlungen wegen „Erstellung einer illegalen, gegen die Verbote des Kriegsrechts verstoßenden Erklärung“ einleiten. Unzählige Wissenschaftler und Literaten werden verhaftet, weil sie den Appell unterzeichnet haben. Aufgrund des Publikationsverbots meldet die Presse lediglich die Verhaftungen, die Petition, wegen der sie verhaftet werden, erwähnen sie mit keinem Wort.

2018: Ich will es gleich sagen, damit Sie merken, welch ungeheuren Weg wir in den vergangenen 34 Jahren zurückgelegt haben: Erdogan lässt Ermittlungen gegen die zu „Schutzschilden des Terrors, zu Knechten des Imperialismus“ erklärten Intellektuellen einleiten. Und der Innenminister zeigt die türkische Ärztekammer wegen ihrer Anti-Kriegs-Erklärung an. Es soll ein Prozess eröffnet werden, um die Leitung des Verbands abzusetzen. Die Staatsanwaltschaft leitet gegen elf Verbandsfunktionäre Untersuchungen wegen Terrorpropaganda ein, am nächsten Morgen stürmt Polizei die Wohnungen und Büros von elf Medizinern und nimmt sie fest. In der regierungsnahen Presse wird die Aufnahme von Ermittlungen mit Schlagzeilen wie „Ermittlungen gegen die Verräter“ gemeldet, der Text, der Gegenstand der Untersuchungen ist, wird nicht gebracht.

Bleiben wir noch ein wenig im Jahr 2018. Medien, die sich als Propagandainstrumente der Regierung gerieren, überziehen Gegner der offiziell „Olivenzweig“ genannten Afrin-Offensive mit Empörung. In einem populären Radiosender, der einem AKP-nahen Unternehmer gehört, hieß es gar: „Schießt auf alle, die ihre Stimme gegen die Operation erheben, egal ob es sich um Journalisten oder Abgeordnete handelt!“ Es reicht allerdings nicht zu schweigen, damit nicht auf einen geschossen wird. Es ist bereits ein Verbrechen, die Operation nicht zu unterstützen. In Live-Sendungen in einigen Fernsehkanälen werden die Namen Prominenter aufgezählt, die sich nicht für die Afrin-Offensive ausgesprochen haben.