Dienstag, 20.03.2018 / 11:56 Uhr

Von Halabja nach Afrin

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Für die Welt habe ich einen Kommentar nach der Einnahme Afrins durch türkische Armee und verbündete syrische Milizen geschrieben:

Noch bis vor Kurzem schienen die Kurden deshalb sogar als die Gewinner der blutigen Umwälzungen im Nahen Osten. Bis sich das Blatt im vergangenen Jahr zu wenden begann. Erst scheiterte der irakisch-kurdische Präsident Massoud Barzani bei dem Versuch, gegen den Willen aller Nachbarländer einen unabhängigen Kurdenstaat auf den Weg zu bringen. Wenig später marschierte die Türkei in Afrin ein.

Einmal mehr fühlen sich kurdische Politiker deshalb schmählich von ihren Verbündeten im Stich gelassen. Ob USA, Russland auf globaler oder der Iran und die Türkei auf regionaler Ebene: Sie alle haben in der Vergangenheit Zweckbündnisse geschlossen, ohne die Kurden dabei als gleichwertige Partner zu betrachten. Das wiederum liegt auch an der notorischen Zerstrittenheit kurdischer Parteien, die in den vergangenen Jahren nur allzu oft gegeneinander Kriege geführt haben. Deshalb führt auch das Gerede von „den Kurden“ in die Irre: Es gibt keine einheitliche kurdische Nationalbewegung.

Das macht es den Regierungen in der Region auch einfach, diese Zerstrittenheit für sich auszunutzen, eine kurdische Organisation gegen die andere auszuspielen nur um sie zu gegebener Zeit fallen zu lassen. Den Preis für die kurzsichtige Taktiererei ihrer Parteien zahlt jedes Mal die kurdische Zivilbevölkerung, die auf eine jahrzehntelange Leidensgeschichte aus Verfolgung, Flucht, Unterdrückung und Entrechtung zurück blickt.

So scheint die Lage der Kurden nahezu ausweglos: Solange im Nahen Osten Diktaturen und Autokraten das Sagen haben, gibt es angesichts ihrer Uneinigkeit kaum Hoffnung, den lang gehegten Traum von Unabhängigkeit in die Tat umzusetzen. Dafür brauchte es auch starke und verlässliche Unterstützer aus dem Westen, auf die, wie die Vergangenheit gezeigt hat, eben kein Verlass ist. Besteht innerhalb der herrschenden Verhältnisse keine Chance auf staatliche Eigenständigkeit, so böte einzig die Schaffung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen, also ein grundleger Wandel der Region, Aussicht auf eine bessere Zukunft ohne eigenen Staat. Mit Baschar al-Assad in Syrien, dem türkischen Präsidenten und den Mullahs im Iran, die sich alle gerade auf der Gewinnerspur sehen, wird es aber einen solchen Wandel ganz sicher nicht geben.