Dienstag, 11.09.2018 / 09:47 Uhr

9/11 und die antisemitische Revolution

Von
Thomas von der Osten-Sacken

In der taz von heute erschien ein Essay von Samuel Salzborn über die Terroranschläge  des 11. Septembers als Beginn einer globalen antisemitischen Revolution, die sich gegen die Ideen des Westen richtet:

Die Auswahl der Ziele der Anschläge von 9/11 galt, das wurde sowohl in Erklärungen der Islamisten explizit formuliert wie durch interpretative Deutungen der symbolischen Bedeutung der Twin Towers auch implizit herausgearbeitet, der westlichen Welt als solcher. Es war nicht nur ein Anschlag auf die USA, sondern ein Anschlag auf die durch sie verkörperten Werte von Freiheit und Gleichheit, letztlich ein Anschlag auf die Aufklärung und die Moderne.

9/11 war der Auftakt einer antisemitischen Revolution, die sich gegenwärtig weltweit im Gange befindet und die, wie jede Revolution, auch zerschlagen werden kann.

Und es war ein antisemitischer Anschlag, weil im islamistischen Weltbild alles, was abgelehnt wird, letztlich jüdisch identifiziert wird und die Anschläge von 9/11 den Auftakt für eine antisemitische Revolution bilden sollten. Eine Revolution, an deren Ende dem Willen der Islamisten folgend eine islamistisch unterworfene Welt stehen soll, in der sämtliche ­Errungenschaften von Aufklärung, Moderne und Demokratie zerstört und sämtlicher emanzipativer Fortschritt zum Stillstand gebracht werden soll. (...)

Ground zero

Dieser „echte Weltkrieg“ war und ist gekennzeichnet durch seine Entgrenzung: territorial, aber auch weltanschaulich. Er ist nicht mehr gebunden an Staaten, er findet als terroristischer Anschlag statt, aber auch als Cyberkrieg, er spaltet Gesellschaften in Teile, die sich emanzipatorischen und aufklärerischen Werten verbunden fühlen, und solche, die Homogenität und Identität als Zwangssysteme etablieren wollen.

Letzteres verfolgen dabei nicht nur die Islamisten, denn gerade in Europa und Amerika haben sich rechtsextreme Bewegungen etabliert, die das Weltbild des Islamismus spiegelbildlich reproduzieren und mit ihm den Willen zur antisemitischen Revolution teilen. Genau deshalb hassen die rechtsextremen Bewegungen gerade alle nichtradikalen Muslime, die sich mit dem deistischen Postulat der Aufklärung arrangiert haben und in der Privatisierung ihres Glaubens keinen Nachteil sehen. (...)

9/11 war für diesen Entgrenzungsprozess zwar nicht der Auftakt, aber der historische Kristallisationspunkt. 9/11 war das seismografische Zentrum, von dem aus die bestehende Weltordnung tatsächlich infrage gestellt wurde und die alleinige Hegemonie der amerikanischen Supermacht objektiv gebrochen wurde – nicht an diesem einen Tag, aber er wurde zum sichtbaren Zeichen für die Verwundbarkeit der westlichen Welt und zur Mobilisierungsfolie für die Kräfte der Gegenaufklärung weltweit.

Das Banner, unter dem sich diese sammeln, ist das Banner des Antisemitismus. 9/11 war der Auftakt einer antisemitischen Revolution, die sich gegenwärtig weltweit im Gange befindet und die, wie jede Revolution, auch zerschlagen werden kann. Um dies in Angriff zu nehmen, muss man aber ihren Kern als antisemitische Revolution begreifen und erkennen, dass mit ihr in der Tat alles auf dem Spiel steht, was die Iswestija „wichtigste Kostbarkeit der Zivilisation“ genannt hat: das Leben des freien Menschen.