Mittwoch, 12.09.2018 / 16:26 Uhr

Das Ende der Cumhuriyet

Von
Aus dem Netz

Bis vor wenigen Tagen war Aydin Engin noch Kolumnist der türkischen Zeitung Cumhuriyet. Warum er es nicht mehr ist und über das de facto Ende dieser Zeitung schreibt er in der Zeit:

Die türkische Tageszeitung Cumhuriyet, die seit geraumer Zeit auch den deutschen Lesern als letzter Ort der freien und kritischen Berichterstattung in meinem Land bekannt ist, gibt es so nicht mehr. Sie wurde völlig umgekrempelt, von oben bis unten.

Der Aufsichtsrat der Stiftung der Cumhuriyet, die praktisch Eigentümerin der Zeitung ist, wurde auf seiner Hauptversammlung am 7. September vollständig ausgetauscht. Gleich danach wurden die drei wichtigsten Führungskräfte der Redaktion gefeuert. Darunter der Chefredakteur, der geschäftsführende Redakteur und der Chef des Hauptstadtbüros in Ankara.

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Dieser Schritt, der einem Putsch gegen die Zeitung gleichkommt, hat viele Autoren und Kolumnisten dazu veranlasst, von sich aus die Cumhuriyet zu verlassen, so wie mich. Bislang sind wir 22. Das in etwa fasst die erschütternde Entwicklung der vergangenen Woche zusammen, die die Linie des Blattes von Grund auf verändern wird. Aber das ist erst einmal nur eine Nachricht und gibt keine Antwort auf die Frage: "Was ist eigentlich bei der Cumhuriyet los?" (...)

Momentan sieht es so aus, als wenn die Redaktion ganz dem Kurs der Regierung folgen wird: mit dem Versprechen, keine harte Oppositionsrolle mehr einzunehmen. In den zentralen politischen Fragen wie der Kurdenproblematik, den Beziehungen der Türkei zur EU und in der Außenpolitik wird die Linie der Redaktion klar sein: Man wird alles daran setzen, Erdoğan und seine Regierung nicht mehr zu verärgern.

Nicht die Zeitung Cumhuriyet und ihre breite Leserschaft haben verloren, sondern Demokratie, Menschenrechte und die Pressefreiheit.