Freitag, 14.09.2018 / 12:51 Uhr

Syrien wurde im Stich gelassen

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In einem Beitrag  für die NZZ kritisiert Ulrich Speck die westliche Syrienpolitik:

Nicht nur im militärischen Kampf hat sich das Regime durchgesetzt, mit entscheidender Hilfe Irans und Russlands. Auch die Definitionshoheit hat die Koalition gewonnen. Was am Anfang als Aufstand freiheitlicher Kräfte gegen einen Diktator verstanden wurde – inspiriert vom Arabischen Frühling –, wurde vom Regime und von seinen Unterstützern als ein Kampf zwischen Ordnungsmacht und Terroristen definiert: eine Etikettierung, die mit zunehmender Brutalisierung des Konflikts immer plausibler wurde.

Die äusserste Brutalität des Vorgehens des Asad-Regimes, immer wieder dokumentiert, wurde weitgehend achselzuckend abgetan.

Die freiheitlichen Kräfte erhielten nur geringe und immer mehr schwindende Unterstützung von aussen. Obama hat die Opposition gegen Asad erst ermutigt, dann minimal unterstützt, schliesslich aber das Syrien-Engagement auf den Kampf gegen den Islamischen Staat reduziert, was auch dem Asad-Regime zugutekam im Kampf um die Rückgewinnung des Territoriums. Europa hielt sich fast völlig heraus und folgte im Wesentlichen der amerikanischen Linie. Nur der Diktator und die Islamisten wurden von interessierten Kräften von ausserhalb unterstützt.

Dass sich die USA und Europa weitgehend heraushalten konnten, dass die freiheitsorientierten Kräfte im Lande keine nennenswerte Unterstützung und damit auch keine Chance gegen Diktatur und Islamisten bekamen, liegt auch daran, dass die politische Öffentlichkeit des Westens wenig Interesse an diesem Konflikt zeigte. Die äusserste Brutalität des Vorgehens des Asad-Regimes, immer wieder dokumentiert, wurde weitgehend achselzuckend abgetan. Weder Russland noch Iran mussten einen diplomatischen Preis dafür zahlen, das zeitweise in die Defensive geratene Regime immer wieder entscheidend gestützt zu haben. Gewiss, ein entschiedenes militärisches Eingreifen wäre riskant gewesen, und zu diesem Risiko war der Westen nach den Erfahrungen im Irak und in Libyen nicht bereit. Doch Russland und Iran waren dazu bereit und wurden dafür am Ende mit einem Sieg belohnt, der ihre geopolitische Position erheblich stärkt. (...)

Auch unterhalb der Schwelle des Eingreifens hätte der Westen weit mehr tun können: frühzeitig mehr Hilfe für liberale Kräfte, Einstehen für rote Linien bei Giftgasangriffen, erheblichen Druck auf Moskau und Teheran ausüben, ernsthafte diplomatische Initiativen starten.

Doch der Druck auf die westliche Politik, aktiv zu werden, war kaum vorhanden. Es gab keinen «CNN-Faktor»: kaum Bilder und Geschichten, keine Solidaritätsbewegungen und Massendemonstrationen in den westlichen Hauptstädten. Und die Advokaten der «humanitären Intervention» sind nach Irak und Libyen verstummt. Das Feld wurde denen überlassen, die für Menschenrechte nur Verachtung übrig haben. Das allerdings könnte sich eines Tages rächen.