Samstag, 27.10.2018 / 10:03 Uhr

UN-Menschenrechtsauschuss gegen Nikab-Verbot

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Als Yuval Shani im Juli zum Vorsitzenden des UN-Menschenrechtsauschusses gewählt wurde, dachte er sicher nicht, dass er erstmalig international in dieser Funktion bekannt werden würde ausgerechnet durch die Bekanntgabe der Entscheidung  des Ausschusses, dass das vom französischen Staat verhängte Verbot von Ganzkörperverschleierungen aus Sicht der UN rechtlich fragwürdig sei. Denn als ein Israeli zum  Leiter dieser UN-Einrichtung gewählt wurde war dies keineswegs eine alltägliche Angelegenheit. Schließlich ist die notorische Voreigenommenheit der Weltorganisation gegen den jüdischen Staat nur allzu bekannt und wurde erst kürzlich in dem Buch „Vereinte Nationen gegen Israel“ von Alex Feuerherdt und Florian Markl systematisch untersucht.

Geklagt hatten zwei Französinnen muslimischen Glaubens, die sich in den letzten Jahren quasi hauptberuflich mit ihrem Anliegen durch die verschiedensten Institutionen durchgearbeitet hatten.

Der UN-Menschenrechtsausschuss wird fälschlicherweise oft mit dem Menschenrechtsrat verwechselt, einer Einrichtung, die sich in der Vergangenheit vor allem dadurch auszeichnete, dass ihre Mitglieder absurde und völlig einseitige anti-israelische Resolutionen verabschiedeten und der Rat sich größtenteils aus Staaten zusammensetzt, in denen Menschenrechte notorisch mit Füßen getreten werden. Deshalb auch haben die USA diese Einrichtung erst kürzlich verlassen. Diesen Schritt rechtfertigte die noch amtierende US-Botschafterin bei der UN Nikki Haley mit folgenden, treffenden Worten:

„Wenn es ein sogenannter Menschenrechtsrat nicht über sich bringt, sich zu den massiven Verstößen gegen die Menschenrechte in Venezuela oder im Iran zu äußern, unterdessen aber die Demokratische Republik Kongo als neues Mitglied aufnimmt, verdient er seinen Namen nicht. Tatsächlich schadet ein solcher Rat der Sache der Menschenrechte nur. Von der chronischen Voreingenommenheit Israel gegenüber einmal ganz abgesehen.

Letztes Jahr stellten die Vereinigten Staaten klar, dass wir die Existenz des ständigen Tagesordnungspunkts Nr. 7, durch den Israel anders als jedes andere Land der Welt behandelt wird, nicht länger akzeptieren werden. Wie in den Vorjahren hat der Menschenrechtsrat auch in diesem Jahr fünf antiisraelische Resolutionen verabschiedet: Das sind mehr als gegen Nordkorea, den Iran und Syrien zusammengenommen. Dieser einseitige Fokus und die niemals endende Feindschaft gegen Israel belegen eindeutig, dass der Rat sich nicht für die Menschenrechte interessiert, sondern eine einseitige politische Agenda verfolgt.”

In den UN-Menschenrechtausschuss dagegen werden international anerkannte Rechtsexperten gewählt, und deshalb auch sollte die jüngste Entscheidung des Gremiums nicht einfach nur als eine weitere absurde Resolution seitens der UNO abgetan werden. Auch sitzen in ihm unter den gewählten Experten lediglich drei aus arabischen Ländern – darunter Ägypten und Tunesien, zwei Saaten, in denen die Regierungen versuchen, gegen das Tragen von Nikabs in Schulen und Universitäten vorzugehen. Yuval Shany erklärte nach der Entscheidung des Ausschusses, dass diese sich keineswegs gegen Säkularismus und Laizismus richte. Er und weitere Mitglieder des Gremiums sähen in dem Nikab sogar „eine Form der Unterdrückung“ von Frauen.

Die Kritik der Experten im UN-Menschenrechtsauschuss am französischen Gesetzt zeigt, wie schwierig solche Verbote juristisch zu begründen sind.

Frankreich wird nun eine Frist von 180 Tagen gegeben, um das Gesetz zu überarbeiten. Rechtlich bindend sind die Empfehlungen des Ausschusses allerdings nicht, Nichtbeachtung kann auch nicht sanktioniert werden. Geklagt hatten zwei Französinnen muslimischen Glaubens, die sich in den letzten Jahren quasi hauptberuflich mit ihrem Anliegen durch die verschiedensten Institutionen durchgearbeitet hatten. Nachdem der Europäische Gerichtshof ihre Klage vor einigen Jahren abgewiesen hatte, wendeten sie sich schließlich an die UNO. Und dort stieß ihr heiliger Rechtskrieg für Verschleierung schlussendlich auf offene Ohren.

Diese Entscheidung  dürfte nun weltweit den Gegnern von solchen Verboten Auftrieb geben. Dabei handelt es sich nicht nur um salafistische und andere islamistische Organisationen, denen das Menschenrecht auf Schleier ein ganz zentrales Anliegen ist, sondern auch um allerlei Vorkämpfer gegen Islamophobie und antimuslimischen Rassismus aus der europäischen und amerikanischen Linken. Die Entscheidung kam denkbar ungünstig für Verfechter von Verboten, schließlich tobt auch in der arabischen Welt inzwischen ein Kulturkampf ums Kopftuch. Erst vergangene Woche erließ die algerische Regierung ein Verbot des Niqab für Frauen, die im öffentlichen Dienst arbeiten.

Trotzdem sollte sie nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die Kritik der Experten im UN-Menschenrechtsauschuss am französischen Gesetzt zeigt nämlich, wie schwierig solche Verbote juristisch zu begründen sind. Die von Yuval Shany formulierten Einwände, dass es sich bei solchen Verboten um Verletzungen individueller Rechte geht, selbst wenn es seine persönliche  Überzeugung sei, dass es sich bei Ganzkörperverschleierungen um „eine Form der Unterdrückung von Frauen“ handele, zeigt wie heikel es in Rechtsstaaten ist, solche Verbote rechtskonform umzusetzen. In Frankreich gilt das Verbot nicht nur in öffentlichen Einrichtungen sondern generell und wird deshalb von Kritikern als unrechtmäßiger Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Frauen verurteilt. Seit Jahren tobt dieser Streit nun schon, nicht nur in Frankreich, sondern auch anderen europäischen Ländern und wird sowohl von Befürwortern wie Gegnern mit teils an Militanz grenzender Verbissenheit ausgetragen.

Außerdem heißt es in der Begründung: „Das Komitee räumte ein, Staaten könnten verlangen, dass Personen sich unter bestimmten Umständen zu erkennen geben, doch gehe ein allgemeines Verbot des Niqab zu weit. Statt voll verschleierte Frauen zu schützen, könnte das Gesetz nach hinten losgehen und dazu führen, dass Frauen das Haus nicht verlassen, und so deren Zugang zu öffentlichen Einrichtungen behindern und sie marginalisieren.” Erst die nächsten Monate, vor allem aber die Reaktion der französischen Regierung, werden zeigen, welche langfristigen Folgen die Entscheidung des UNO-Ausschusses nach sich ziehen werden und ob sie gar als Etappensieg der Gegner von Ganzkörperverschleierungsverboten in die Geschichte eingehen wird.

Yuval Shani jedenfalls dürfte vermutlich hoffen, dass es das nächste Mal, wenn eine Entscheidung des Menschenrechtsausschusses auf breiteres Interesse stößt, um erfreulichere Themen gehen wird. In seinem Heimatland, Israel gibt es übrigens keine entsprechenden Verbote. In Europa ist das Tragen von Ganzkörperverschleierungen außer in Frankreich unter anderem noch in Belgien, Holland, Dänemark, Österreich und Bulgarien verboten.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch