Sonntag, 02.02.2020 / 15:37 Uhr

Albanien: Europas gefährlichstes Land?

Von
Philipp Thiée

Vom Kolumbien Europas zum gefährlichsten Land: Albanien ist immer wieder für Überraschungen gut

 

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(200.000 Bunker schützen vor dem Feind, Bildquelle: Wikipedia)

 

Nach der Tötung von Quazzen Suleimani verkündete der oberste iranische Revolutionsführer Khameini"Es gibt ein kleines aber teuflisches europäisches Land, in dem Amerikaner mit den Verrätern Irans gegen die Islamische Republik komplottieren." 

 Gemeint ist das an der Adria liegende Albanien. Mit seinen etwa drei Millionen Einwohnern, denen einst ihr maoistischer Führer Enver Hoxha mit dem Bau von 200.000 wahllos über das Land verstreuten Bunkern Schutz vor imaginären Invasoren garantierte, ist es heute zum für die Islamische Republik Iran gefährlichsten Land Europas geworden. Das zumindest meinte im AKP nahen türkischen Sender TRT-World der albanische Islamwissenschaftler Olsi Jazexhi : “Albania has become the most dangerous country in the world for Iran after the United States and Israel”. 

Galt Albanien bis vor kurzem noch aufgrund seiner florierenden Drogenanbauflächen und der vielen erfolgreichen Unternehmer im Betäubungsmittelbusiness als Kolumbien Europas bezeichnet, ist es nun zum Frontstaat gegen die Islamische Republik mutiert. Während viele Albaner von der ersten Zuschreibung wohl nicht verwundert sein dürften, werden sie zusammen mit vielen Iranern wohl eher erstaunt sein, warum sie nun als dritter „Satan“ im Bunde mit Israel und den USA angesehen werden.

  Hintergrund dieses Aufstieges in der internationalen Politik ist die wechselhafte Geschichte der inzwischen von Maryam Rajavi, die sich auch Sonne der Revolution nennen lässt, geführten iranischen Volksmudjahedin (Mojahedin-e-Khalq, MEK), die nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak ihr bisheriges Exil verloren. Mit Antritt schiitisch dominierter, dem Iran äußerst wohlgesinnter Regierungen in Bagdad geriet diese Oppositionsgruppe, die sich vorher der wohlwollenden Unterstützung der Baathdiktatur erfreute, ins Visier. Im Irak gab es keine Zukunft mehr für ihre Mitglieder. Also handelte die Obama Administration mit Albanien einen Deal aus, der die Überführung von circa 3.000 ihrer Mitglieder der Volksmudjahedin (MEK) bis September 2016 an die Adria vorsah. Seitdem leben sie dort in einem Lager bei der Stadt Durres. Wie es dort wohl zugeht, berichtete Der Spiegel vor einem Jahr basierend auf gesprächen mit einigen Aussteigern aus der Organisation.

 

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(Frauenbrigade der MEK, Bildquelle: Islamic Times)

 

Die Mojahedin-e-Khalq „wurden 1965 als Oppositionsgruppe gegen den Schah gegründet. Ihre Ideologie war eine Mischung aus Marxismus und Islam. Wobei die Organisation selber das Attribut marxistisch als eine Verläumdung durch den SAVAK - den Geheimdienst der Monarchie - ablehnt. Die Grundage der Ideologie sei immer im Koran zu suchen gewesen.“  Maryam  Rajavi verbreitet die Geschichte, sie habe Khomeini leibhaftig getroffen und er habe ihre Hand küssen wollen. Sie habe das verweigert und seit dem würde sie von den Revolutionsgarden gehasst.

 Während der Revolution 1979 im Iran hatte die Organisatin eine große Bedeutung musste dann aber gegenüber dem Khomeinistischen Flügel der Revolution klein beigeben. Die Mitglieder wurden verfolgt und auch 18Jährige wurden vom Regime dafür hingerichtet Flugblätter zu verteilen. Die Volksmudjahedin wichen in den Irak aus und kämpften im Iran-Irak-Krieg mit bewaffneten Einheiten an der Seite von Saddam Hussein. In dieser Zeit verloren sie im Iran jegliche Unterstützung und Basis, was auch mit den Giftgas Angriffen Husseins zu tun hatte. Nach dem Krieg lebten die Mitglieder der MEK in Lagern im Irak. Diese wurden von den USA übernommen und die MEK wurden entwaffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren sie in den USA nach als terroristische Vereinigung verboten. 

 Eine durch das US Amerikanische Verteidigungsinisterium finanzierte Studie  kam zu folgender Chrakterisierung der MEK: Die Organisation habe many of the typical characteristics of a cult, such as authoritarian control, confiscation of assets, sexual control (including mandatory divorce and celibacy), emotional isolation, forced labour, sleep deprivation, physical abuse and limited exit options”. Die Einstellung der USA zur selbsterklärten Sonne der Revolution änderte sich aber, obwohl die Einheiten der MEK bei der Befreiung des Iraks von Saddam Hussein als feindliche Kräfte kategorisiert wurden. Gegen den Widerstand von dem Regierungsflügel um Condoleezza Rice wurden in den USA die Volksmudjahedin dann also kommende Kraft für einen Iran nach den Mullahs aufgebaut. Rice meinte noch, man müsse die MEK so behandeln, wie sie kategorisiert wurde: Als Terroristische Organisation. 2012 nahm Hilary Clinton die MEK aus der Liste der Terroristischen Vereinigungen raus.

 US-Politiker begannen sogar auf Großevents der Sekte aufzutreten.  Auf der zentralen Veranstaltung der MEK in Paris 2018 erklärte Rudy Giuliani : “The mullahs must go. The ayatollah must go, and they must be replaced by a democratic government which Madam Rajavi represents.” Giuliani hob bei diesem Anlass auch die Kräfte der MEK in Albanien hervor, die angeblich die Proteste im Iran steuern würden: “These protests are not happening by accident, they’re being coordinated by many of our people in Albania.” 

 

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(Rudy Giulani trifft Maryam Rajavi, Bildquelle: Youtube)

 

Über die MEK soll andererseits erst das iranische Nuklearprogramm bekannt geworden sein. Es gibt sogar Gerüchte, dass sie dem Mossad geholfen haben sollen, iranische Atomwaffenforscher zu töten. Letzteres weist die MEK weit von sich und ersteres erscheint eher wie ein gelungener Propagandacoup. Jetzt sitzt ein Großteil der verbliebenen MEK Mitglieder in Albanien fest und ihre Finanziers leben in Paris. Von dort aus hat die MEK auch großzügige Spenden an die rechtsextreme Spanische VOX Partei fließen lassen. 

 Weil sie dem Deal damals zustimmten, ist Albanien nun sogar ins Visier der Al Quds Einheiten geraten: Die albanische Polizei hob im Oktober 2019 eine Terrorzelle der Islamischen Republik aus. Während Tirana iranische Diplomaten auswiesen ließ, sollen die Iraner wiederum vom Kosovo aus weiter gegen Albanien konspirieren. 

 Ob ausgerechnet die Volksmujahedin der ideale Ansprechpartner sind, wenn es darum gehen soll, zu zeigen, dass eine Versöhnung von Rechtstaat, Demokratie und Islamismus möglich seien, erscheint gelinde gesagt, unwahrscheinlich. Schon beim Anblick von nur einem Bild von Frau Maryam Ravjani gewinnt man den Eindruck, dass sie für einen künftigen Iran wohl eher eine Rolle spielen würde, wie einst Gülen für Erdogan.

Wie groß auch immer der reale Einfluss der 3000 MEKler in Albanien sein mag, sehr bedeutend dürfte er nicht ausfallen. Die Propaganda vom „most dangerous country“ in Europe ließe sich dann allerdings auch anders lesen: Als so wenig bedrohlich empfindet das Regime also die restlichen europäischen Staaten.