Dienstag, 26.10.2021 / 16:40 Uhr

Hilferufe aus Afghanistan

Von
Arvid Vormann

Vergangene Freundschaften: Nato-Soldat mit afghanischem Kind, Bildquelle: Kristina L. Truluck, US National Archives

Verzweifelt wenden sich seit August so genannte Ortskräfte aus Afghanistan an Organisationen in Deutschland, weil sie von den Behörden im Stich gelassen werden.

 

Am 7. Oktober twitterte das Auswärtige Amt: "Wir lassen nicht nach in unseren Anstrengungen, Menschen aus ⁨#Afghanistan⁩ in Sicherheit zu bringen"

Als Beleg dieser unermüdlichen Anstrengungen dienen gelegentliche Charterflüge aus Islamabad. Wie Hohn muss das in den Ohren der vielen Tausend ehemaligen Ortskräfte und ihrer Familien klingen, die nunmehr hoch gefährdet in Afghanistan festsitzen und keine Möglichkeit haben, nach Pakistan auszureisen. Die Landgrenze ist weitgehend geschlossen, Flüge sind extrem teuer und kaum zu erhalten, außerdem ist ein Reisepass erforderlich, den viele Menschen nicht besitzen und der auch seit der Machtübernahme nicht mehr beantragt werden kann.

Die zuständigen deutschen Stellen reagieren auf die Hilferufe nicht, werden in keiner Weise unterstützend tätig und überlassen die Menschen schlicht ihrem Schicksal. Die wenden sich voller Angst und Verzweiflung an Journalist*innen, Aktivist*innen, Hilfsorganisationen. Wir dokumentieren hier zwei dieser Hilferufe, die uns bei Wadi e.V. erreichten und auch original in deutsch verfasst worden sind:

 

Guten Tag

Ich bin Yusuf*, ein ehemaliger Angestellter der Bundeswehr. Ich habe eine Aufnahmezusage für Deutschland. Aber sie evakuieren uns nicht. Ich kann mit meiner Familie nicht nach Pakistan ausreisen, weil wir nur Personalausweise, aber keine Pässe haben. Die Behörden lassen uns nach dem Abzug Ende August nun ein zweites Mal im Stich. Sie schicken uns auch keinerlei finanzielle Unterstützung. Nur über private Spenden aus Deutschland erhalten wir etwas Hilfe.

Warum berichten die deutschen Medien nicht mehr über uns? Die Regierung lässt uns hängen, das sollten die Menschen erfahren.

Unser Leben ist in Gefahr und es wird mit jedem Tag gefährlicher. Unschuldige Menschen werden inzwischen nicht nur von den Taliban, sondern auch vom IS angegriffen. Und wir sitzen hier und warten seit nunmehr über eineinhalb Monaten darauf, dass die deutsche Regierung einen Weg findet, uns zu evakuieren. Aber versuchen sie es wirklich?

Die Situation belastet uns sehr. Meine Kinder fragen mich jeden Tag: "Papa, du hast gesagt, wir gehen nach Deutschland! Stimmt das gar nicht?" Und ich kann ihnen nicht erklären, was los ist. Mir fehlen die Worte.

Bitte antworten Sie mir, vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Yusuf

 

Bitte helfen Sie uns. Sie sind unsere letzte Hoffnung.

Sehr geehrte Damen und Herren

Mein Name ist Madina*, geboren am 08.06.2002, ich komme aus Afghanistan aus Panjshir, wo derzeit Krieg herrscht. Ich bin die Tochter des bekannten Leutnants XXX, der gegen die Taliban kämpfte und von den Taliban getötet wurde. Siehe seinen Militärausweis (Foto).

Insgesamt 4 Menschen, mein Vater und drei Cosains aus meiner Familie sind jetzt im Krieg gegen die Taliban getötet.

Zwei meiner Brüder und Schwestern leben noch. Einer von ihnen arbeitete bei der GIZ GmbH, siehe seine Zeugnisse.

Mein Vater half auch der deutschen XXX GmbH, ein Zertifikat liegt vor, aber sein Zertifikat ist in afghanischer Farsi.

Weil wir alle wütend auf die Taliban sind, die unseren Familien großen Schaden zugefügt haben. Vor letzten Sonntag schlug meine Mutter aus großer Wut auf der Straße einen Taliban, zum Glück haben die Taliban sie nicht erschossen, sie schlugen meine Mutter mit Waffen. Aber leider ist ihr Schulterknochen komplett gebrochen. Siehe Bilder bitte.

Wenn die Taliban herausfinden, dass ich seit 2 Jahren an der XXX-Universität in Kabul-Afghanistan studiere und dass ich die Tochter von Leutnant XXX bin, würden sie uns alle zu 100% töten.

Ich habe einen afghanischen Pass und meine Mutter und die anderen haben keinen Pass, sie haben nur einen afghanischen Personalausweis (Tazkira). Siehe Fotos bitte.

Wir sind in NOT, bitte helfen Sie uns, mich und meine Mutter und mein Brüder mit seiner Frau und Kinder aus Kabul oder Mazare-Sharif evakuieren zu lassen und uns nach Deutschland oder in ein sicheres Land zu bringen.

Bitte tragen Sie unsere Namen in die Liste der schutzbedürftigen Frauen und Familie ein.

Es gibt andere Menschen in unserer Familie, die ebenfalls Schutz suchen. Einige von ihnen waren in der afghanischen Armee und im Verteidigungsministerium, andere arbeiteten für die GIZ in Kabul. Wenn Sie denen auch retten können, lassen Sie es uns bitte wissen.

Wir haben mehrmals E-Mails an 040-krise19@diplo.de und an die GIZ-Organisation geschickt, und auch 004930-1817 1000 und 004930-5000 1000 angerufen, uns hat niemand geholfen. Weil, wir keine deutsche Staatsbürger sind.

Wir haben auch bei der GIZ angerufen und sie haben uns gesagt, dass nur Menschen, die nach 2019 mit ihnen zusammengearbeitet haben, diese Menschen nach Deutschland bringen würden.

 

Bitte helfen Sie uns. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Madina

 

*Namen geändert