Samstag, 06.05.2023 / 16:17 Uhr

Hohe Haft- statt Todesstrafe in iranischem Schauprozess verhängt

Von
Gastbeitrag von Dominik Metzger

Hamid und Farzaneh Ghareh Hassanlou, Bildquelle: NCR-Iran

Das Todesurteil gegen Farzaneh und Hamid Ghareh-Hassanlou wurde zwar aufgehoben, stattdessen verurteilte ein Gericht sie zu hohen Haftstrafen.

 

Vier lange Monate hat es jetzt gedauert, bis der Fall von Hamid und Farzaneh nach der Urteilsaufhebung am 1. Januar dieses Jahres nochmal verhandelt und ein neues Urteil gesprochen worden ist. Die iranische Sittenpolizei verhaftete beide im November 2022 mit der Anschuldigung bei der Tötung von Ruhollah Ajamian, einem Angehörigen der Basij, einer Freiwilligenmiliz der Islamischen Revolutionsgarden, beteiligt gewesen zu sein. Bei ihrer Verhaftung stürmte die Geheimpolizei ihr Haus und schlug sie vor ihrer Tochter, die im Teenageralter ist, brutal zusammen. Unter Folter erzwangen sie ein falsches Geständnis von Farzaneh - eine Routinepraxis der Sicherheitskräfte im Iran. Basierend auf diesem erzwungenen Geständnis verurteilte das Revolutionsgericht in Karaj Hamid zum Tode und seine Frau Farzaneh zu 25 Jahren in Haft. Beides geschah in einem Eilprozess ohne Zulassung eines Rechtsbeistandes. 

Die Grausamkeit und Willkür des iranischen Regimes speziell im Fall dieser beiden sorgte für starke internationale Aufmerksamkeit und Druck von außen. Außerdem reichte ein Team aus einheimischen Anwälten ein umfangreiches Berufungsdokument ein. Das alles führte dazu, dass am 1. Januar 2023 beide Urteile auf Grundlage von Verfahrensfehlern aufgehoben worden sind. Die Angehörigen und wir Freunde und Bekannten waren natürlich erstmal sehr erleichtert, da die allgegenwärtige Gefahr einer Hinrichtung Hamids zunächst vom Tisch war. Schnell wurde aber auch klar, dass die Aufhebung des ersten Urteils nur ein kleiner Etappensieg sein würde. Die für zeitnah angekündigte Neuverhandlung der Fälle ist Woche für Woche immer wieder verschoben worden, was die Psyche der beiden aber auch der Angehörigen immer weiter brechen sollte.

Verschlimmert wird die ganze Situation durch den sehr dramatischen Gesundheitszustand der beiden. Während er weiterhin stark unter den Folgen der körperlichen Misshandlungen seiner Verhaftung und seiner schweren Vorerkrankungen leidet, besteht bei Farzaneh der Verdacht auf ein Tumorleiden. Weder ihm noch ihr wird die dringend nötige ärztliche Versorgung gewährt.

Im jetzt vom Revolutionsgericht neu verkündeten Beschluss ist Hamid zu 15 Jahren Haft im Exil und Farzaneh zu 5 Jahren Haft im Exil verurteilt worden. Exil bedeutet, dass sie ihre Strafen nicht in einem heimatnahen Gefängnis absitzen müssen sondern in einer Haftanstalt weit weg von ihrer Familie und ihren Angehörigen. Hamid soll ins 600 km entfernte Yard verlegt werden und Farzaneh ins fast 1.000 km entfernte Maschhad. Das Oberste Gericht muss das neue Urteil noch bestätigen. Die noch ausstehende Bestätigung des Urteils lässt die Tür einen kleinen Spalt offen und gibt einen minimalen Funken Hoffnung darauf, doch noch etwas ändern zu können. Die Familie und wir Freunde und Angehörigen geben nicht auf. Gerade wird ein erneuter Einspruch vorbereitet, der in der nächsten Woche eingereicht werden soll. Hier wird wieder darauf hingewiesen, dass beide unschuldig sind und nach wie vor kein einziger Beweis vorliegt, der ein gerechtes Urteil erklären würden.

Es gilt nach wie vor so oft wie möglich auf die momentane Situation aufmerksam zu machen, die Geschichten der Opfer zu teilen und alles, so wenig es auch am Ende sein mag, zu tun, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen!