Samstag, 08.07.2023 / 14:16 Uhr

Jenin: Flüchtlinge im eigenen Land?

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Das Camp in Jenin während der Kämpfe, Bildquelle: 00972 Magazine

In den letzten Tagen ist immer wieder von dem Flüchtlingslager in Jenin im Westjordanland die Rede. Nur wer sind die Flüchtlinge?

 

Alexander Gruber weist darauf hin, um was für eine Anomalie es sich bei dem Flüchtlingslager in Jenin handelt, das in den letzten Tagen Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen palästinensischen Milizen und israelischer Armee wurde. Dort leben die Nachkommen von Menschen, die 1948 aus dem Gebiet des heutigen Israels geflohen sind. Sie werden sowohl von der palästinensischen Autonomiebehörde als auch der UN weiter als Flüchtlinge behandelt:

Dschenin setzt sich aus der alten Stadt selbst und einem als Flüchtlingslager gegründeten Teil zusammen. Letzter besteht bis heute, weil die palästinensische Führung nicht an der Integration der 1948 im Zuge des arabischen Vernichtungskriegs gegen den neu gegründeten jüdischen Staat geflohenen und zu einem kleineren Teil vertriebenen Palästinenser interessiert ist, sondern diese – unter dem Beharren auf einem angeblichen »Recht auf Rückkehr« – als politische Manövriermasse gegen Israel benutzt. 

Im Lager Dschenin leben 18.000 Palästinenser dicht gedrängt auf einem Gebiet von etwa einem halben Quadratkilometer. Das 1953 errichtete und von der UNO verwaltete Lager wird von den Palästinensern oft als »Hauptstadt der Märtyrer« bezeichnet. Zwischen 2000 und 2003, während des als »Zweite Intifada« bekannt gewordenen Terrorkriegs gegen Israel, stammten mindestens 28 palästinensische Selbstmordattentäter aus dem Lager Dschenin.

Das Flüchtlingslager wurde zu einer Hochburg des Terrors, insbesondere für diejenigen, die mit der Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) und einer Reihe kleinerer lokaler Gruppierungen verbunden sind, den sogenannten Bataillonen, von denen sich das »Dschenin Bataillon« durch besonders grausame Taten hervorgetan hat. Der PIJ erhält direkte Unterstützung aus dem Iran, während andere Gruppierungen oft indirekte Hilfe erhalten

Die Beziehungen Teherans zu den palästinensischen Terrorgruppen werden, wie auch die Beziehungen zu anderen regionalen Stellvertreter-Milizen, etwa im Iran, im Jemen, oder im Libanon, vom Korps der Islamischen Revolutionsgarden überwacht. Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, erklärte 2014, »das Westjordanland sollte genauso bewaffnet werden wie der Gazastreifen«. Anfang Juni sagte er gegenüber einer PIJ-Delegation in Teheran, die »wachsende Macht« der palästinensischen Gruppen sei »der Schlüssel, um den zionistischen Feind in die Knie zu zwingen«.

Die Hamas und der Islamische Dschihad haben allein im heurigen Jahr Millionen an Euro an Terrorgruppen im Lager überwiesen, großteils aus dem Iran stammend, und die Ergebnisse sprechen für sich: im Jahr 2023 gingen bislang fünfzig Anschläge gegen Israelis von Dschenin aus. Seit September letzten Jahres sind neunzehn Terroristen nach Anschlägen in das Lager geflohen, unter anderem der Attentäter des Doppelschlags in Jerusalem vom November 2022.