Freitag, 19.01.2024 / 19:36 Uhr

Strafanzeige wegen Verbrechen gegen Kurden in Afrin

Von
Thomas von der Osten-Sacken

"Frieden für Afrin" - Demonstration in Berlin 2018, Bildquelle: , Flickr

Die Menschenrechtsorganisationen European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Syrians for Truth and Justice (STJ) haben bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige wegen Verbrechen im syrischen Afrin erstattet.

 

Das gaben beide Organisationen gestern in einer Pressemitteilung bekannt, in der es unter anderem heißt:

"Seit dem türkischen Einmarsch sind die Bewohner*innen von Afrin, insbesondere die Kurd*innen, systematischen Gewalttaten ausgesetzt. Die Übergriffe reichen vom Verschwindenlassen, willkürlichen Verhaftungen und Folter bis hin zu sexualisierter Gewalt. Die Beschlagnahmung des Eigentums der lokalen Bevölkerung durch Plünderungen und Besetzung sowie exorbitante Steuern hindern zudem die vertriebenen Bewohner*innen Afrins daran zurückzukehren und soll die noch Verbliebenen zur Flucht zwingen", erklärt Bassam Alahmad, Executive Director von STJ.

Die von protürkischen und auch islamistischen Milizen begangenen Menschenrechtsverletzungen sind Völkerrechtsverbrechen und können nach dem geltenden Weltrechtsprinzip auch in Deutschland untersucht werden. Gemeinsam mit sechs Überlebenden der Taten haben das ECCHR, STJ und ihre Partner am 19. Januar 2024 eine Strafanzeige bei der deutschen Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereicht, in der sie zu umfassenden Ermittlungen gegen die Täter auffordern.

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Afrin 2018 nach der Eroberung durch türkische Truppen, Bildquelle: Wikimedia Commons

 

Seit Jahren werfen verschiede Organisationen der Türkei und mit ihr verbundenen syrischen Milizen eine Politik des systematischen ethnischen Säuberung in Afrin vor. Das kurdischen Institut in Paris veröffentlichte diese Zahlen:

As a result of this invasion, initially, according to UN figures, 130,000 Kurds had to flee to the province of Aleppo where they survive in makeshift camps. The policy of terror, confiscation of property, arrests, kidnappings, torture, looting practiced under the aegis of the Turkish occupation army by the Arab and Turkmen Islamist militias pushed about 120,000 other indigenous Kurds and displaced Kurds to leave. Their homes, land and businesses have been donated to militiamen whom the Pentagon calls "scum of the worst kind", their families and Arab refugees from Ghouta and Idlib.

Die in Afrin herrschenden Milizen haben mit türkischer Hilfe eine Gewalt- und Willkürherrschaft errichtet.

According to the figures given at a conference devoted to the situation in the Kurdish territories under Turkish occupation held on January 30, 2021 in Qamishlo with the participation of numerous NGOs and witnesses on the ground, Turkey has installed around 400,000 Arabs and Turkmens in the canton of Afrin where the Kurds would barely represent a quarter of the population.

Anders ausgedrückt: "Afrin (Efrîn) was 96% Kurdish on the first day of 2018. Today, the Kurdish population is less than 30%. Such a dramatic shift does not happen by accident, it occurred because of Turkey’s systematic and diabolical ethnic cleansing."

Dank der Initiative des ECCHR kam es in der Vergangenheit schon zu verschiedenen Gerichtsverfahren gegen syrische Offizielle, bislang allerdings waren die Verbrechen in Afrin ein eher blinder Fleck.

Das soll sich nun ändern:

Bislang standen die Verbrechen des Assad-Regimes und islamistischer Gruppen, wie Jabhat al-Nusra und ISIS, im Fokus der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Das Leid, das die mehrheitlich kurdische Zivilbevölkerung im Nordwesten Syriens erfahren hat, ist bislang noch überhaupt nicht aufgearbeitet.

“Seit 2011 ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen in Syrien begangenen Menschenrechtsverbrechen. Der Prozess wegen syrischer Staatsfolter vor dem Oberlandesgericht Koblenz war wegweisend. Die Gräueltaten von vorwiegend islamistischen Milizen an der kurdischen Bevölkerung in Nordsyrien sind bislang ein blinder Fleck in diesen Ermittlungen. Das muss sich ändern. Denn die in Afrin herrschenden Milizen haben mit türkischer Hilfe eine Gewalt- und Willkürherrschaft errichtet“, kommentiert Patrick Kroker, der die Arbeit des ECCHR zu Menschenrechtsverbrechen in Syrien leitet.