Das vollautomatisierte Schlaraffenland

Rolex für alle

Seite 3 – Das demokratische Wir

Nach den spektakulären Zukunftsvisionen findet das Manifest in seinem politischen Programm überraschend nüchtern in die Gegenwart zu sich. Die politischen Handlungsvorschläge fallen auffällig uninspiriert aus. Mit der Forderung nach einem linken Populismus und parlamentarischen Reformen schließt Bastani an die dröge Sozialdemokratie an. Der Weg zum Luxuskommunismus führe durch eine sozialistische Übergangsperiode, die durch nationalstaatliche Politik realisiert wird. Um die Leute in der parlamentarischen Aufmerksamkeits­ökonomie für den Luxuskommunismus zu begeistern, müsse ihnen ­einfach das versprochen werden, »was sie verdienen: Versprich ihnen alles.«

Mit Chantal Mouffe teilt Bastani das Ziel sowie das Problem, ein »Wir« zu kons­truieren, das nichts mit rechtem Populismus gemein hat. Wie über einen Elektoralismus gepaart mit Regionalismus ein Klassenbewusstsein erreicht werden soll, ohne auf Kategorien von Volk, Rasse, Nation und entsprechende Ressentiments zurückzugreifen, bleibt auch bei Bastani vage, wenn er sich für ein »demokratisches Wir« ausspricht.

Bastani formuliert oppositionelle Haltungen gegen multinationale Konzerne, technokratische Eliten, Banken und frei flottierendes Kapital. Durch einen municipal protectionism soll die Arbeit im Dorf bleiben und der Spekulant draußen. Die ­sozialdemokratisch organisierte Produktion an Ort und Stelle wird als Ausweg aus der Knechtschaft unter abstrakten Finanzströmen und ­unkontrollierbaren Kapitalisten beschrieben. Die Steuer- und Finanz­infrastrukturen müssten so umgebaut werden, dass Banken in Gemeinbesitz die lokale Produktion finanzieren und sie aus den Fängen von spekulativem Kapital und Verschuldungsspiralen reißen. Zusammen mit einer Finanztransaktionssteuer und planungsfähigen Zentralbanken könnte sodann »die produktive anstatt die spekulative Wirtschaft« florieren.

Das Übel des Kapitalismus erscheint bei Bastani hauptsächlich in seiner »abstrakten Dimension« (Moishe Postone), nämlich im Gegensatz zu ehrlicher Arbeit in der kon­kreten Produktion »als ausschließlich materiellen schöpferischen Prozess, ablösbar vom Kapital« (Postone). Das passt leider nur zu gut zu Kontroversen über Antisemitismus in der britischen Labour Party unter Jeremy Corbyn. Auch Bastani hat in der Debatte auf seine »moralische Pflicht« zur fundamentalen Israel-Kritik gepocht. Als es bei Sky News eigentlich um die Erfahrung euro­päischer Juden im Holocaust ging, wollte er deren Gefühle in Hinblick auf Verfolgung und Ermordung auf Palästinenser ausweiten, um jene angeblich marginalisierten endlich »sichtbar« zu machen. Im Manifest finden sich solche Stellen zwar nicht, zusammen mit seiner populistischen Wir-gegen-die-Logik zeigt sich aber ein Antikapitalismus, der bekanntermaßen auch Hand in Hand mit modernem Antisemitismus geht.

Aaron Bastani: Fully Automated Luxury Communism. A Manifesto. Verso Books, London/New York 2019, 288 Seiten, ca. 18 Euro.