Queeres Nachtleben in Tel Aviv und Jerusalem

Bass, Bier und Kippa

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Ob Noam überhaupt die Dreiprozenthürde zum Einzug ins Parlament schaffen wird, ist unklar, der Wahlkampf läuft allerdings mit ­großem Aufwand. Riesige Plakate der Partei pflastern die Stadt. Noam gehe es um das »Recht, normal zu sein«, Normalität heißt für die Partei: heterosexuell und jüdisch. Am Wahlkampfstand verteilen ihre Unterstützer, viele davon Jugendliche, die noch gar nicht wählen dürfen, in hellblauen Parteishirts Flyer und Broschüren. Die kleine Gruppe mit den Regenbogenfahnen wird von Umstehenden immer wieder angepöbelt, Einzelne liefern sich heftige Wort­gefechte mit religiösen Eiferern, Gott wolle solche Menschen wie sie nicht, hört man immer wieder. Die Queers verteilen Aufkleber mit dem Spruch: Wie kann Gott Homosexuelle erschaffen, wenn er sie nicht mag?« Ohne sich auf Gott zu berufen, geht offenbar wenig in Jerusalem – und viele LGBTI sind selbst gläubig.

Ein Homophober greift eine junge Frau an, sie schlägt zurück und kann sich danach mit einem Unterstützer in Sicherheit bringen. Einige Polizistinnen kommen hinzu, halten sich allerdings eher am Rand. Alon Isac hält tapfer sein Pappschild hoch. »Du bist gut, so wie du bist«, steht darauf. Er sei bereits in Berlin gewesen, erzählt der junge Schwule, da habe es ihm gefallen. Doch aus Jerusalem wolle er nicht weg, es sei schließlich auch seine Stadt.

Einige Zeit nach Ende der Kundgebung – vier Stunden harrten die Ak­tivisten und Aktivistinnen aus – sind auf dem Yehuda-Markt nur noch die Massen zu sehen, die am Abend vor dem Sabbat die letzten Schnäppchen ergattern wollen. Großfamilien schieben sich durchs Gedränge, Händler werben lautstark mit günstigen Rabatten, Einkaufstrolleys verhaken sich in den engen Seitengassen. Schafft man es durch eine dieser Gassen ins Innere des Markts, gelangt man zu Kneipen und kleinen Restaurants mit Außenbereich. Hier beginnt das Nachtleben Jerusalems zwischen Blumenkästen, Brotgeruch und Geräuschfetzen vom Markttreiben gerade erst, während sich der Handel nur einige Meter weiter dem Ende zuneigt.