Bei den jüngsten Raketenangriffen auf Israel hat sich die Hamas weitgehend zurückgehalten

Islamisten in der Zwickmühle

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Die Hamas hielt sich denn auch aus dem Schlagabtausch heraus. Sie beließ es bei verbalen Solidaritätsbekundungen. »Euer Blut ist unser Blut«, rief der Hamas-Funktionär Ismail Radwan auf al-Atas Beerdigung. Aber als Mahmoud al-Zahar, ein anderer hochrangiger Hamas-Funktionär, anschließend das Trauerzelt besuchen wollte, bekam er den Unmut der Mitglieder des Islamischen Jihad zu spüren und musste unter Polizeischutz das Weite suchen. Die regierenden Islamisten sitzen in der Zwickmühle. Ihnen ist mit dem Islamischen Jihad ein Rivale erwachsen, der Sicherheitsexperten zufolge dank iranischer Hilfe mittlerweile über ein ähnlich großes Waffenarsenal wie die Hamas verfügt. Diese steht unter Druck, da Proteste gegen die soziale und wirtschaftliche Misere im Gaza-Streifen ihre Autorität herausfordern; ohnehin hat sie schon mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah Ärger genug.

Abu al-Ata war bei der Hamas keineswegs beliebt. Zu oft hatte er eigenmächtig Israel angegriffen, wofür dann auch die Hamas den Kopf hinhalten musste. »Abu al-Ata war wie ein Knochen im Hals der Hamas und Ägyptens, ja selbst der Führung des Islamischen Jihad in Damaskus, die letztlich einem Waffenstillstand zustimmte, ohne dabei etwas erreicht zu haben«, so die Einschätzung von Issacharoff. »Der Hamas kam es daher ganz gelegen, dass der Islamische Jihad diesmal alleine im Kampf gegen die israelische Armee dastand.« Allerdings setzt sie sich durch ihre Passivität dem Vorwurf aus, gegenüber dem »zionistischen Erbfeind« zu nachgiebig zu sein oder gar heimlich mit ihm zu kooperieren.

»Das Verhalten der Hamas sowie ­Israels verweist auf einige gemeinsame Interessen, die nicht nur die Schwächung des Islamischen Jihad zum Ziel haben, sondern ebenso einen langfristigen Waffenstillstand mit spürbaren Erleichterungen der Blockade des Gaza-Streifens als Gegenleistung«, schrieb der ehemalige Brigadegeneral Udi Dekel, mittlerweile Managing Director am Tel Aviver Think Tank Institute for National Security (INSS), in der Tageszeitung Israel HaYom. »Deshalb wollten beide Seiten ein rasches Ende der derzeitigen Auseinandersetzung, damit die Hamas nicht in eine Situation gerät, in der sie sich ein weiteres Abseitsstehen auf keinen Fall mehr leisten kann.« Selbst als die Hamas am Samstagmorgen zwei Raketen Richtung Be’er Sheva abfeuerte, um ihr Image als kämpferische Organisation aufrechtzuerhalten, gab es aus Israel keine nennenswerte Reaktion.

Avigdor Lieberman, der Vorsitzende der Partei Yisrael Beiteinu und ehema­liger Außenminister, bezeichnete die Schonung der Hamas sofort als »Kapitulation vor einer Terrororganisation«. Die Operation »Schwarzer Gürtel«, wie die Armee sie nannte, fand nicht bei allen Israelis Anklang. Schließlich hatte Israel am 17. September ein neues Par­lament gewählt – das zweite Mal in diesem Jahr. Weder Ministerpräsident Netanyahu als Amtsinhaber noch sein Herausforderer Benny Gantz haben es bislang geschafft, eine neue Regierung zu bilden, weshalb zum dritten Mal Wahlen drohen. Eine von Gantz angeführte Minderheitsregierung, die von der Vereinten Arabischen Liste toleriert würde, dürfte nicht mehr zur Debatte stehen, denn deren Abgeordnete kritisierten ausschließlich die israelische Regierung für ihr Verhalten im Gaza-Konflikt, aber nicht den Islamischen Jihad. Eher könnte der öffentliche Druck auf Gantz wachsen, sich mit Netanya­hu zu einer Koalition zusammenzutun. Die Ereignisse der vergangenen Tage dürften Netanyahu eher gestärkt als geschwächt haben.