Kampfschreiber im Ruhestand

Der Neonazi-Ideologe Werner Pfeifenberger darf an der FH Münster nicht mehr Politologie unterrichten

"Die Geschichte an der Fachhochschule ist inzwischen uralt, um nicht zu sagen ewiggestrig." Selbst die eher konservativen Westfälischen Nachrichten verloren im letzten April langsam die Geduld. Seit Jahren war an der Fachhochschule Münster bekannt, daß der Politologie-Professor Dr. Werner Pfeifenberger rechtsradikale Ideologie verbreitet. In der letzten Woche endlich zog das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium Konsequenzen und entließ den Verbreiter von Nazi-Gedankengut. Daß Pfeifenberger tatsächlich gehen muß, hat er vor allem seiner eigenen Tölpelei zu verdanken.

Im Frühjahr 1995 hatte der Politologie-Professor den österreichischen Journalisten Karl Pfeifer und die Israelitische Kultusgemeinde Wien verklagt. Er forderte bei einem Streitwert von 240 000 Schilling (etwa 35 000 Mark) die Unterlassung bestimmter Textstellen aus einem Artikel Pfeifers in der Februarausgabe der Zeitschrift Die Gemeinde, dem offiziellen Organ der Israelitischen Kultusgemeinde. In diesem Artikel setzt sich Pfeifer mit dem 1995er Jahrbuch der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und speziell mit Pfeifenbergers Beitrag "Internationalismus und Nationalismus - eine unendliche Todfeindschaft" in diesem Band auseinander. Der Journalist läßt für den Nachweis der in dem Jahrbuch anklingenden "(Neo)Nazi-Töne" vor allem den Politologen selbst sprechen. 42 Zeilen seines Texts bestehen aus Pfeifenberger-Zitaten. Auf den übrigen 28 Zeilen stellt Pfeifer fest, daß der 1941 in Salzburg geborene Professor "die Mär vom jüdischen Kriege gegen Deutschland" verbreitet und - in bezug auf die Vergangenheit des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim - die "klassische Täter-Opfer-Umkehr" vornimmt. Außerdem benutze Pfeifenberger sinnwidrige Zitate und lüge. Dabei stützt sich der Journalist auf folgende Auslassung des Wissenschaftlers: "Der internationalistische Hasser, Kurt Tucholski (sic) meinte, den Menschen seines deutschen Gastlandes gesamthaft den Gastod wünschen zu müssen, weil sie ihm viel zu nationalistisch dachten." Pfeifer bezeichnet dies als "Nazidiktion", denn: "Die Nazis haben die Bücher des deutschen Schriftstellers Kurt Tucholsky verbrannt, sie haben behauptet, Juden könnten keine Deutschen sein." Werner Pfeifenberger, der seit 1972 an der FH Münster lehrt, klagte gegen Pfeiffer auf Unterlassung. Weder hätte er "(Neo) Nazi-Töne" angeschlagen, noch eine "Nazidiktion" verwendet - und gelogen schon gar nicht. Doch die Klage hätte er besser lassen sollen.

Schon die Klageschrift Pfeifenbergers bestätigte die von Pfeifer konstatierte Weltanschauung. So solle der Journalist die Behauptung unterlassen, der Kläger verbreite die "Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung". Dieser "Propagandabegriff" komme in Pfeifenbergers Aufsatz nicht vor, und außerdem sei es "sachlich nicht gerechtfertigt, von einer 'Mär vom jüdischen Krieg gegen Deutschland' zu sprechen, weil es derartiges vom gedanklichen Ansatz her tatsächlich gegeben hat". Pfeifenberger sei jedoch kein Nazi: "Im Gegenteil: der Kläger distanziert sich klar und eindeutig vom Nationalsozialismus in gleicher Weise wie etwa vom Kommunismus oder, wenn man so will, von den Auswüchsen des Nationalismus und des Internationalismus."

Das für die Klage zuständige Wiener Gericht setzte einen von beiden Prozeßparteien akzeptierten Gutachter zur Bewertung der Pfeifenbergerschen Aussagen ein: Professor Dr. Rudolf G. Ardelt vom Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Linz. Seine Expertise ist eindeutig. In Pfeifenbergers Text seien "terminologisch und hinsichtlich der Konstruktion eines spezifischen Geschichtsbildes 'Nazitöne' klar zu identifizieren".

Ardelt kommt zu dem Schluß, daß Pfeifenberger die "antisemitische Argumentationslinie" fortsetze: "Die Publikation steht (...) eindeutig in einer Tradition antisemitischer Geschichtsbilder seit dem 19. Jahrhundert." Sein Text zeige zudem in der Darstellung der "Todfeindschaft" von Nationalismus und Internationalismus "nicht zu übersehende Übereinstimmungen mit dem Werk Alfred Rosenbergs 'Der Mythus des 20. Jahrhunderts' - einem Schlüsselwerk der Programmatik und Ideologie des Nationalsozialismus". Ardelt findet es "bemerkenswert", daß Pfeifenberger "trotz einer anscheinend ins Detail gehenden Kenntnis des Werkes von Alfred Rosenberg in seinen Ausführungen nirgends auf die - wesentlich bedeutenderen - Parallelen seiner eigenen Geschichtsinterpretation zu jener des Nationalsozialisten Alfred Rosenberg eingeht." So fänden sich wesentliche Übereinstimmungen in der schematischen Strukturierung der Geschichtsabläufe, etwa der These vom Eindringen des "orientalischen (jüdischen) Messianismus in Gestalt des missionarisch-offensiven Frühchristentums in die Gedankenwelt des römischen Reiches.

Pfeifenberger übernehme auch die nationalsozialistische Argumentationsweise vom Kampf zwischen "nationalen" Kräften Deutschlands und dem in den politischen Parteien der Weimarer Republik verankerten "Juden". Der Politologe stelle "die spezifische Entrechtungs- und Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten gegen Juden gleichsam als Fortsetzung dieses Konflikts von 'Deutschen' und 'Juden' dar und legt damit die Basis für eine Argumentation, die die 'Kriegsschuld' den Juden aufbürdet." Er dehne diesen Konflikt weit über die Zeit der NS-Herrschaft aus. Pfeifenbergers Artikel müsse, so Ardelt, "als ein vor allem polemischen, politisch-ideologischen Zwecken dienendes Pamphlet oder als 'Kampfschrift'" bezeichnet werden.

Im August folgte das Wiener Handelsgericht dem Expertengutachten. Anfang September entschied das Landgericht gleichlautend. Die von Pfeifer aufgestellten Aussagen über Pfeifenberger seien nicht nur zulässig, sondern ihre Wahrhaftigkeit sei bewiesen. Nun mußte auch das nordrhein-westfälische Wissenschaftministerium handeln. In der vergangenen Woche wurde der Hochschulprofessor wegen der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts fristlos entlassen - ein gerichtsnotorischer Nazi macht sich nicht gut an einer deutscher Hochschule. Doch die Entlassung kommt Jahre zu spät.

Pfeifenbergers rechte Mission war schon seit langem ruchbar. Seine "rassistische und antidemokratische Gesinnung", so Torsten Schulz, Asta-Vorsitzender an der FH Münster, sei "schon seit Bestehen der Fachhochschule allen bekannt, die davon wissen wollten". Vor zwanzig Jahren wurde Pfeifenberger wegen seines Engagements für das südafrikanische Apartheid-Regime die Lehrerlaubnis an der Universität Münster entzogen. Seine Tätigkeit an der Fachhochschule, an der er seit 1972 lehrte, berührte das jedoch nicht. Dort wurde Pfeifenberger erstmalig 1978 auffällig. Damals kam heraus, daß er für die Fachbereichsbibliothek eine Anzahl faschistischer beziehungsweise "geschichtsrevisionistischer" Bücher aus dem Sortiment dreier einschlägiger Nazi-Verlage bestellt hatte. Es sei ihm ein Versehen unterlaufen, der Inhalt der Bücher sei ihm nicht bekannt gewesen, erklärte Pfeifenberger damals. Seitdem liegen im Fachbereich Sozialwesen 26 Bücher unter Verschluß mit unschuldigen Titeln wie "Wollte Adolf Hitler den Krieg 1939?", "Die Kriegsschuld der Sieger" oder "Freispruch für Deutschland" von unverdächtigen Autoren wie Reichsaußenminister von Ribbentrop oder NS-Pressechef Helmut Sündermann.

1983 ging Pfeifenberger für zwei Jahre nach Südafrika, um dort als Gastdozent an einer Eliteuniversität zu lehren. Das Wissenschaftsministerium hatte ihm hierfür Sonderurlaub gewährt - trotz eines UNO-Beschlusses gegen jegliche wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime. Auch nach dem Bekanntwerden seines Beitrages im FPÖ-Jahrbuch 1995 sahen weder Ministerium noch Hochschule Handlungsbedarf gegen Pfeifenberger. Ministerin Anke Brunn (SPD) sah damals die Äußerungen Pfeifenbergers durch das "Recht auf freie Meinungsäußerung" und die "Freiheit von Forschung und Lehre" gedeckt. Selbst als im April dieses Jahres Ardelts Gutachten vorlag, konnte sich das Ministerium nicht zu Maßnahmen entschließen. Die Studentenschaft hingegen boykottierte Pfeifenbergers Veranstaltungen seit seiner Rückkehr aus Südafrika 1985.