Sonnenfinsternis

Die Frau mit dem Hut aus Filz und der mittelalterlichen Kutte ist "Leiterin der Hexengruppe" des Berliner "Germanenordens", ihr Begleiter gehört ebenfalls dazu. Die beiden kommen im Teutoburger Wald ins Bild, an einem Felsen, der von der SS zur Kultstätte gemacht worden ist und bis heute jedes Jahr zur Sonnenwende zahlreiche Leute anlockt. Nazis kämen keine mehr, sagt der Sprecher, die seien von den Hippies und Esoterikern vertrieben worden.

Untermalt von Bildern irischer Steine, irischer Felder und irischer Friedhöfe wird am Anfang des Films "Schwarze Sonne" die Frage aufgeworfen, warum im Gegensatz zu Deutschland in Irland ein unverkrampfter Umgang mit Mythologie und "spirituellen Wegen" möglich sei. Die Antwort hat der Film schnell: Die Nazis hätten die Esoterik für ihre Zwecke "mißbraucht". Das ist eine Antwort, die gerne gehört wird: Seit Wochen läuft der Film im Kreuzberger Eiszeit-Kino. Das Publikum, das die eigene Ideologie legitimiert sehen will, ist eine Mischung aus Antifas und Rechten, aus Naturheilkundlern und Geschichtsinteressierten.

Fast alle können der Behauptung, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir nicht erklären können, einiges abgewinnen - das ist der Subtext, der ein stilles Einverständnis zwischen Film und Zuschauern herstellt. Denn am Film selbst kann es nicht liegen, daß er Erfolg hat: Die schlecht geschnittenen Bilder erzählen keine Geschichte, sondern dienen als Untermalung der Thesen des Autors Rüdiger Sünner, der Mythologie und Esoterik rehabilitieren möchte.

Sünner muß zwar zugeben, daß die Esoterik untrennbar mit der Entwicklung der rassistisch-völkischen Ideologie verbunden ist. Aber selbst bei den Geheimlogen, bis hin zur Thule-Loge von München, der Keimzelle der NSDAP, entdeckt Sünner noch die Suche nach einem "spirituellen Weg". Sein Argument gegen die Nazis: Historische Ungenauigkeit. Sie hätten gar nicht wirklich geforscht, sondern einfach Sachen behauptet, die nicht stimmten. Aber so wie Sünner kaum das Wort "Antisemitismus" aussprechen kann, mag er auch nicht über den Rassismus und die gesellschaftlichen Vorstellungen auch der frühen Esoteriker reden.

Bilder von den trommelnden Hippies im Teutoburger Wald - "Wenn ihr einen Nazi entdeckt, gebe ich euch einen Met aus." - schließen die Argumentation des Films damit, daß es heute nötig sei, "unsere Mythen" vom ideologischen Ballast der Nazis zu befreien, um dann "ganz unverkrampft" damit umgehen zu können. Wie in Irland eben. Allein, der Film selbst, seine positiven Kritiken und sein Erfolg bei Leuten unterschiedlichster politischer Richtungen beweisen das Gegenteil: In Deutschland führt noch jeder "spirituelle Weg" in die Volksgemeinschaft.