Task-Force gegen Ladendiebe

Die Große Koalition bietet der Bremer CDU den idealen Rahmen für ihre Law-and-Order-Politik
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Michael Teiser hat ein feines Gespür für den richtigen Zeitpunkt: Pünktlich zum Valentinstag forderte er ein Heiratsverbot für Flüchtlinge. "Wir können nicht hinnehmen, daß Asylbewerber sich durch eine Scheinheirat ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erschleichen und das Asylverfahren umgehen", tönte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Bremerhaven.

Teisers Vorstoß paßt ins geistige Klima der Bremer CDU. Seit die Christdemokraten im kleinsten Bundesland mitregieren, fallen sie nicht nur im angegliederten Bremerhaven durch laute Sprüche und radikale Maßnahmen auf. Wie man Ehen von Deutschen und MigrantInnen entgegentritt, exerzierte zum Beispiel der Bremer Innensenator Ralf Borttscheller vor: Wenige Monate nach seinem Amtsantritt 1995 ließ er den Algerier Abdelouahab H., der kurz vor einer Heirat mit einer Deutschen stand, ausweisen. Obwohl der Flüchtling mit einem Selbstmordversuch eine Abschiebung verhindern konnte, mußten er und seine Freundin schließlich in Algerien heiraten, um in Bremen gemeinsam leben zu können.

Waren humanitäre Gesten in der Bremer Ausländerbehörde bereits unter der sogenannten Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen ungewöhnlich, so wurde unter der Großen Koalition selbst diesen Ausnahmen ein Riegel vorgeschoben: Alle Ermessensentscheidungen des Amtes müssen jetzt von einem senatorischen Beamten abgesegnet werden. Die Linie gab Borttscheller vor: Wer öffentlich kritisiere, daß Menschen in Folter und Tod abgeschoben würden, schade dem Rechtsstaat, schrieb Borttscheller in der FAZ. Das bekommen auch seine Kritiker zu spüren. So wurde das linke "Anti-Rassismus-Büro" schon mehrfach mit Hausdurchsuchungen und Ermittlungsverfahren wegen der "Beleidigung von Personen des öffentlichen Lebens" überzogen; unter anderem für den Gebrauch von Begriffen wie "Schreibtischtäter" oder "rassistische Kriminalitätsdebatte". Amnesty international betreibe "Agitation gegen den Rechtsstaat", verkündete Borttscheller, weil die Menschenrechtsorganisation seinen Einsatz von Brechmitteln gegen afrikanische mutmaßliche Straßendealer verurteilte. Und der Bremer Evangelischen Kirche warf der Unionspolitiker vor, in ihrer Leitungsebene sei die PKK-Sympathisantenszene beheimatet.

Mit der entsprechenden Unterstützung aus den eigenen Reihen kann Borttscheller rechnen. So hatte jüngst der CDU-Landeschef Bernd Neumann nach Aussagen zweier SPD-Bürgerschaftsabgeordneter eingeklagt, man solle "der Polizei eine rechtliche Handhabe geben, Bettler und Obdachlose aus der Stadt zu verjagen". Eine Verschärfung des Polizeigesetzes, nach der öffentliches Alkoholtrinken verboten werden soll, ist bereits in Arbeit, und eine Sonderkommission kümmert sich um "Schmierer" und illegale Graffiti-Künstler. Schließlich löst die aerosol art, wie Innensenator Borttscheller weiß, bei den Menschen "ein Gefühl der Ohnmacht und Wehrlosigkeit" aus.

Durch massive Polizeipräsenz wurde ein Teil der Kleinkriminalität aus dem Innenstadtbereich vertrieben - daß dies nachweislich den Anstieg solcher Delikte in weniger privilegierten Stadtteilen zur Folge hatte, nahmen die Saubermänner dabei billigend in Kauf. AusländerInnen, insbesondere aus dem afrikanischen Kontinent, haben besonders unter dieser Politik zu leiden - Brechmittelvergabe, Platzverweise, willkürliche Festnahmen sind für sie an der Tagesordnung.

Als Senator Borttscheller vor drei Jahren nach New York flog, um die dortige Polizei zu besuchen, wurde er allenthalben als Provinzpolitiker belächelt, der sich auf Staatskosten die große weite Welt anschaue. Heute gilt das Modell des ehemaligen Polizeichefs der 17-Millionen-Stadt, William Bratton, als die Entdeckung schlechthin auf dem Gebiet der inneren Sicherheit. Borttscheller kann sich jetzt damit rühmen, daß dank ihm die Anfang Februar auf der Innenminister-Konferenz beschlossene, an New Yorker Erfahrungen orientierte "Aktion Sicherheitsnetz" in Bremen erprobt wird. Künftig sollen nun 50 Bundesgrenzschutzbeamte in einer sogenannten Task-Force im Innenstadtbereich der Hansestadt Handtaschenraub und Ladendiebstahl bekämpfen.