Nach Verlust ihres Ingenieurs kündigt Hamas Rache an

Tod in Ramallah

In Israel und den Gebieten, die der Palästinensischen Autonomiebehörde unterstellt sind, stehen die Zeichen auf Sturm. Nach der Beerdigung des mutmaßlichen Bombenspezialisten der islamistischen Hamas, Mohijedin Scharif, am Donnerstag vergangener Woche, kam es zu Unruhen in mehreren Teilen der Palästinensergebiete. Die Auseinandersetzungen hielten bis zum Wochenende an. Die israelischen Streitkräfte wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, haben Anschläge angekündigt, die sich diesmal nicht auf Ziele in Israel "beschränken" würden.

Bereits am Sonntag war Scharif in der Nähe von Ramallah tot neben einem explodierten Auto aufgefunden worden. Zur Untersuchung seines Todes arbeiteten die zuständigen palästinensischen Behörden mit israelischen Sicherheitskräften zusammen. Laut der israelischen Tageszeitung Ha'aretz sagte ein Arzt aus dem Krankenhaus von Ramallah Scharifs Familie, die Todesursache seien Kugeln und Schrapnelle in seinem Körper gewesen, womit er meinte, Scharif sei möglicherweise schon vor der Explosion des Autos erschossen worden. Das ist der Hauptgrund, die Verwicklung israelischer Agenten in den Tod Scharifs zu vermuten - wie Hamas und die Palästinenser-Polizei.

Laut Ha'aretz waren erste Hinweise auf Scharif als Bombenbauer der Hamas vor vier Jahren aufgetaucht. Demzufolge haben Mitglieder einer aufgeflogenen Hamas-Zelle in Verhören ausgesagt, Scharif habe eine Bombe präpariert, die bei einem Bombenanschlag auf einen Bus in dem Jerusalemer Stadtteil Ramot Eshkol explodiert war. In der Vergangenheit haben israelische Agenten schon mehrmals verschiedene hochrangige Leute von Hamas umgebracht, darunter im Jahr 1996 auch den "Ingenieur" der Hamas, Jahja Ajasch, der für die Präparierung der bei sogenannten Selbstmordanschlägen verwendeten Bomben der Hamas zuständig war. Dessen Tod hatte vier Anschläge der Hamas zur Folge, denen mehr als 50 Israelis zum Opfer fielen.

Neben dem in Ramallah explodierten Auto fanden die polizeilichen Experten weitere Kugeln und Schrapnelle, offenbar aus der Bombe selbst. So kann bislang auf der Basis der zugänglichen Informationen auch nicht ausgeschlossen werden, daß Scharif bei einem Unfall ums Leben kam, während er das Auto für einen Anschlag präparierte, eine Version, die beispielsweise der israelische Polizeiminister Kahalani vertritt.

Vergangenen Donnerstag suchte der israelische Verteidigungsminister Mordechai Arafats Stellvertreter Abu Mazen auf, um ihm zu versichern, keine israelischen Dienste seien in den Tod Scharifs verwickelt - ein deutliches Anzeichen, für wie gravierend der Vorfall gehalten wird.

Bereits am Mittwoch hatte das israelische Kabinett erklärt, gegen "angemessene Sicherheitsvereinbarungen" die israelischen Truppen aus dem Südlibanon abzuziehen. Der libanesische Staatspräsident Hrawi lehnte tags darauf Sicherheitsgarantien unter Berufung auf die UN-Resolution 425 ab. Hrawi ist abhängig von Syrien, das etwa 35 000 Soldaten in der Bekaa-Ebene im Libanon stationiert hat. Bei einem Abzug Israels aus dem Libanon verschlechtern sich Syriens Chancen, die Golan-Höhen von Israel zurückzuerhalten.

US-Außenministerin Madeleine Albright hat zum wiederholten Male Israel und den Palästinensern damit gedroht, die USA würden sich aus dem Friedensprozeß zurückziehen. Die Verhandlungen seien "mattgesetzt".