Rot-Grün in Bonn und NRW

Zirkus Garzweiler

Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen in Bonn - eine Zeit der demonstrativen Harmonie unter den Regierungsspartnern in spe, eine Zeit, in der die Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien in Ländern und Kommunen ruhen, um den Erfolg der Bonner Gespräche nicht zu gefährden - sollte man meinen. Doch die Realität sieht anders aus. Während die Verhandlungsführer von Rot und Grün in Bonn in die Kameras grinsen, zeigt keine hundert Kilometer weiter Schröders Partei der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn die Zähne.

Viel ist ja nach drei Regierungsjahren nicht mehr übriggeblieben, was den Koalitionären in Nordrhein-Westfalen noch Anlaß zum Streit bieten könnte. Ob Abschiebehaft oder Kindergartenplätze, ob Autobahn oder Flughafen, in jedem Streitpunkt haben die Grünen schließlich nachgegeben, und heute kann sich Ministerpräsident Wolfgang Clement freuen, daß er regieren kann wie einst zu Zeiten der absoluten SPD-Mehrheit.

Mit einer Ausnahme: Beim geplanten Braunkohle-Tagebau Garzweiler II mauert Ministerin Bärbel Höhn, die die Fachaufsicht über das Genehmigungsverfahren hat, beharrlich.

Doch nun, da die Sozialdemokraten zu den Gewinnern der Geschichte zählen, will Schröders künftiger Kanzleramtsminister, NRW-Wirtschaftsminister Bodo Hombach (Porträt Seite 10) Höhns Widerstand auch hier endgültig brechen: Am Freitag vergangener Woche ließ er das ihm unterstellte Landesoberbergamt Dortmund, das eigentlich nur die gewässerrechtlichen Aspekte des Verfahrens zu prüfen hat, die Genehmigung empfehlen: Alle relevanten Fragen seien nun geprüft, man werde den Entwurf an die zuständigen Bezirksregierungen in Köln und Düsseldorf weiterleiten, kündigte Behördenleiter Hans-Jürgen von Bardeleben an. Ein Affront gegen Höhn und ihre grüne Partei, noch dazu einer, den die Ministerin kraft ihrer Fachaufsicht ohne weiteres wieder kassieren kann. Welches Ziel verfolgen die SPD-Männer dann?

Anders als die Grünen haben es die Sozialdemokraten verstanden, die schlichte Logik der Wahlarithmetik für sich nutzbar zu machen: Die SPD kann, was ein Teil ihres politischen Personals sogar wünscht, jederzeit auch in einer Großen Koalition regieren - in Nordrhein-Westfalen wie im Bund, wo es zusätzlich auch noch die Option eines Bündnisses mit der FDP gibt. Die Grünen können den Sozialdemokraten allenfalls mit dem Ausscheiden aus der Koalition drohen. Die Folge wäre in Bonn in jedem Falle eine Regierungskonstellation ohne die Grünen, in Nordrhein-Westfalen mangels einer regierungsfähigen Mehrheit wohl Neuwahlen, welche die Grünen ihrerseits fürchten.

Im Bund wie im Land sind die Grünen, Fischer hin oder her, gezwungen, mitzumachen, was die SPD vorturnt. Keine schöne Rolle, aber allzu sehr bemitleiden sollte man die Grünen nicht: Sie haben sie sich selbst ausgesucht. Und der SPD damit die Möglichkeit gegeben, sie zu jedem beliebigen Anlaß wie eine Zirkusnummer vorzuführen. Notfalls könnte der Ministerpräsident und ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement Höhn sogar anweisen, die Garzweiler-Genehmigung passieren zu lassen. Voraussichtliche Folge: Ende der Koalition, Neuwahlen. Wie sagte Hombach zu seinem Amtsantritt als Wirtschaftsminister: Jetzt zeige man in Nordrhein-Westfalen, "wie man mit den Grünen industrielle Großprojekte und nötige Infrastrukturmaßnahmen realisieren kann". Bald kann er es in ganz Deutschland zeigen.