Ausflug nach Jugoslawien

Die UCK in Albanien kann den Bodenkampf um das Kosovo nicht erwarten und beruft alle wehrfähigen Kosovo-Albaner ein

Die humanitäre Hilfe war schon dringend notwendig. Am vergangenen Freitag verließ eine Fähre mit dem planmäßigen Ziel Montenegro den Hafen des italienischen Bari. An Bord des Schiffes befand sich eine seltsame Gesellschaft: Einige Dutzend UCK-Kämpfer wollten in Richtung Heimat dampfen, um ihre Gefährten im Krieg gegen die Milosevic-Truppen zu unterstützen. Deshalb begab es sich auch, daß die Fähre nicht nach Montenegro fuhr, sondern ihre Fracht im albanischen Hafen Drac entlud.

Von Drac sind es nur wenige Kilometer nach Tropoje im Norden des kleinen Landes am Balkan. Dort befindet sich eines der größten Ausbildungslager der UCK, in dem die potentiellen Heimatverteidiger in vier Wochen zu vollwertigen Mitgliedenr der Befreiungsarmee ausgebildet werden. Nicht nur die Nähe zur jugoslawischen Grenze macht Tropoje für die UCK-Rekruten attraktiv: Weil sich die sozialdemokratische Regierung Albaniens zumindest offiziell mit einer Unterstützung der UCK in Zurückhaltung übt, weichen die UCK-Kämpfer gerne in den Norden aus, wo Ex-Präsident Sali Berisha seine schützende Hand über sie hält.

Die Symbiose des 1997 gestürzten Berisha mit den Kosovo-Befreiern dauert schon recht lange: Nach Angaben des mazedonischen Verteidigungsministeriums entwickelte sich seit Berishas Amtsantritt 1992 ein organisierter Waffenschmuggel von Albanien nach Mazedonien und in das Kosovo. Dies scheinen auch Statistiken des jugoslawischen Innenministeriums zu bestätigen: Zwischen Januar 1998 und Juli 1998 stellten die jugoslawischen Grenzbehörden 316 eingeschmuggelte automatische Gewehre, 348 halbautomatische Gewehre, 76 leichte Maschinengewehre, 2 646 Handgranaten, 267 383 Stück Munition und andere nicht ausschließlich für friedliche Zwecke geeignete Gegenstände sicher.

In Tropoje selbst genießen die UCK-Kämpfer nicht nur die Protektion durch Sali Berisha, sondern auch eine militärisch erstklassige Ausbildung. Immerhin finden sich nicht nur die Freizeit-Schützen aus dem Kosovo im Ausbildungslager, sondern auch geschulte ausländische Experten. Die jugoslawische Armee selbst gestand ein, daß etwa während einer Schießerei am 18. Juli 1998 an der Grenze zwischen Jugoslawien und Albanien sechs aus dem Jemen stammende Kämpfer, fünf Saudis und drei Mazedonier getötet wurden.

In den Papieren der Getöteten fanden sich Hinweise darauf, daß die UCK nicht nur Fußvolk, sondern auch auf das Military-Biz in aller Welt zurückgreift: So soll in Tropoje zumindest bis vor kurzem der Offizier der kroatischen Armee Rahim Ademi gewirkt haben. Während des Krieges in Kroatien befehligte Ademi eine bunt zusammengewürfelte Söldnertruppe aus Niederländern, Deutschen, Franzosen und Briten.

Durch die Offensive der serbischen Armee, die massenhaften Vertreibungen und den Einsatz von paramilitärischen Mordkomitees wie dem von Arkan durch die serbische Regierung ist die UCK nun gezwungen, sich umso mehr auf die Basis Albanien zu konzentrieren. Inzwischen operieren die UCK-Verbände beinahe ausschließlich als Stoßtrupps von albanischem Gebiet aus. Naturgemäß treibt dies auch die Serben dazu, die Basis der UCK in Albanien anzugreifen. Beinahe regelmäßig werden die Dörfer um Kukes und Tropoje von jugoslawischer Artillerie beschossen, die mangelhafte Treffsicherheit der serbischen Kanonen sorgt auch für Opfer unter der albanischen Zivilbevölkerung.

Dabei finden sich Albanien eigenartige Konstellationen zusammen: Während im albanischen Staatsfernsehen nach Angaben der Berliner Zeitung ausführlich die Erklärungen des UCK-Warlords Hashim Thaqi verbreitet werden, der sich der Protektion von Ministerpräsident Fatos Nano erfreut, setzt Berisha auf den UCK-Flügel unter Bujar Bukoshi, der der eher gemäßigten Linie Ibrahim Rugovas, also der LDK (Demokratische Liga), nahesteht und mit Thaci um das Amt des Kosovo-"Regierungschefs" konkurriert.

Während der Verhandlungen in Rambouillet zeigte sich Ex-Präsident Sali Berisha durchaus interessiert an einer Autonomie für das Kosovo. Ähnlich wie die Vertreter der UCK meinte er in der Autonomie den ersten Schritt zur Unabhängigkeit zu erkennen: "Der Kosovo darf nicht weniger Rechte bekommen als 1974. Wenn die Kosovo-Albaner die Autonomie-Rechte von 1974 abermals erhalten, so wird das ihre Unabhängigkeit beschleunigen", verlautete von Berishas Demokratischer Partei.

Die engen Bande zwischen Albanien und den Kosovo-Albanern werden auch durch die Biographie des zeitweiligen UCK-Kopfes Adem Demaci offenbart: Demaci wurde 1936 in Pristina geboren und pflegte das Leben eines schreibenden Bohemiens: Er besitzt einen slowenischen Paß, wohnt ab und an in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Aber auch das Albanien des leicht verknöcherten Enver Hoxha-Regimes besuchte Demaci regelmäßig. Dies führte zumindest zu Vermutungen des jugoslawischen Geheimdienstes, wonach Demaci eng mit den Kollegen vom albanischen Nachrichtendienst zusammenarbeitete. Aber dabei beließ es Demaci nicht: Schon zu Beginn der sechziger Jahre gründete Demaci die "Revolutionäre Bewegung für die Vereinigung der Albaner". Der erste Artikel des Gründungsdokumentes enthält die Forderung nach der Vereinigung aller Gebiete mit der "Mutter Albanien".

Inzwischen sind Demacis Forderungen beinahe erfüllt: Zwar wird Albanien dadurch nicht größer, aber zumindest die kosovo-albanische Bevölkerung ist wegen der Massenflucht im Mutterland Albanien vereinigt. Auch das nutzt die UCK: Ihre Führung hat die Generalmobilmachung angeordnet und alle Kosovo-Albaner zwischen 18 und 50 Jahren aufgefordert, sich bis zum 20. April in die Listen der Armee einzuschreiben. Männer, die sich dem Druck der UCK zu entziehen versuchen, gelten als "Feiglinge".

Die Londoner Times berichtete am Tag des Beginns der Nato-Luftangriffe recht eindrucksvoll über die psychischen Schmerzen der westlichen Regierungen wegen der Unterstützung für die UCK: "Die Finanzierung der Kosovo-Guerilla ist eine kritische Frage und testet auf schmerzhafte Weise Ansprüche einer 'ethischen' Außenpolitik. Soll der Westen ein Guerilla-Armee unterstützen, die teilweise vom organisierten Verbrechen finanziert zu sein scheint?"

Europol jedenfalls zählt die UCK und ihre Querverbindungen zur Drogenmafia inzwischen zu ihren Kunden: Während der Verhandlungen von Rambouillet schrieb die Euro-Polizei einen Bericht für die europäischen Innen- und Justizminister über die Verbindungen zwischen der UCK und der albanischen Drogenmafia.