Grenzsicherung in Spanien

Glotze aus und los

Mit einem "Bienvenida" heißt das andalusische Fremdenverkehrsamt Touristen willkommen. Spanien ist in diesem Jahr wieder das Urlaubsziel Nummer eins bei den Deutschen. Ballermann, Titten und Sangría bis zum Abwinken. Ausländer sind willkommen auf der iberischen Halbinsel - wenn sie aus dem reichen Norden kommen.

An der Südgrenze der Pyrenäenhalbinsel heißt es "Malvenida", dort wird zur Zeit eine teure Schlacht gegen die Fremden geschlagen. 150 Millionen Euro will die spanische Regierung an der Mittelmeerküste in die "Undurchlässigkeit" der Südflanke der Festung Europa investieren.

Boote der spanischen Küstenwache patrouillieren ständig in der Meerenge von Gibraltar. Die beiden spanischen Enklaven Ceuta und Melilla auf dem afrikanischen Kontinent sind elektronisch besser überwacht, als es die Grenze zwischen DDR und BRD je war. Die Kreuzsee am Mittelmeereingang tut das Ihre, um die Ungeliebten aus dem Süden fernzuhalten.

Im vergangenen Jahr sind rund 1 000 Menschen aus dem Maghreb und anderen Teilen Afrikas bei dem Versuch, illegal nach Spanien einzuwandern, ertrunken. Mit dieser Nachricht trat vor einigen Tagen das spanische Sozialministerium an die Öffentlichkeit.

Das Madrider Ministerium wartete mit weiteren Zahlen auf: 30 000 ausweislose "Sin papeles" hätten im Vorjahr versucht, klandestin über Spanien in die EU einzureisen; 300 Boote seien aufgebracht, 14 000 Illegale festgenommen und abgeschoben worden. Die Message in Richtung Afrika ist eindeutig: Die Glücksuche in der Nähe der nördlichen Fleischtöpfe endet tödlich. Und wer durchkommt, wird abgeschoben.

Die ungewohnte Mitteilsamkeit zeigt die Hilflosigkeit der Regierung unter José Maria Aznar. Die spanische Ausländerpolitik ist gescheitert. Anfang der neunziger Jahre hatten die Regierungssozialisten unter Felipe González versucht, die illegale Einwanderung zu kontrollieren. Die Einreisebedingungen für Personen aus Nicht-EG-Staaten wurden verschärft. Gleichzeitig konnten sich jene "Sin papeles" legalisieren lassen, denen es vor Mai 1991 gelungen war, spanisches Hoheitsgebiet zu betreten. 133 000 MigrantInnen machten von dieser Regelung Gebrauch.

Mittlerweile leben über 600 000 MigrantInnen in Spanien. Die Anzahl der Illegalen, die auf den Gemüsefeldern Andalusiens oder in den Obstgärten Valencias den Reichtum der Iberer mehren, dürfte diese Angabe allerdings um ein Vielfaches übersteigen.

Die Halbinsel verkrafte den Zustrom nicht - wollen uns nun Spaniens Christdemokraten verklickern. Die EU zwinge zu drastischen Maßnahmen. Die Offenheit der spanischen Regierung ist Teil eines neuen Krisenmanagements: Legalisierungsofferten gehen mit verschärfter Repression einher. Das Zuckerbrot: Bleiberecht soll bekommen, wer nachweisen kann, dass er sich bereits zwei Jahre illegal in Spanien aufhält. Bleiben darf auch, wer jene ans Messer liefert, die bei der Einreise geholfen haben.

Die Peitsche: Schon seit Monaten arbeiten die spanische und die marokkanische Polizei zusammen. An der Maghreb-Küste sollen jene illegalen Werften ausfindig gemacht werden, in denen die Nussschalen für die Überquerung des Estrecho de Gibraltar gebaut werden. Der nordafrikanische Strand soll lückenlos mit Wärmekameras ausgestattet werden, um die "Sin papeles" bereits auf afrikanischem Boden abzufangen.

Hinzu kommt die schärfste Waffe: Die spanische Rechtsregierung will zusammen mit der von den Sozis dominierten andalusischen Regionalregierung und mehreren Bürgerinitiativen eine Medien-Kampagne starten. In Spanien und Marokko soll vor den Gefahren der illegalen Einwanderung und vor Schleppern gewarnt werden. Motto: "Keine weiteren Toten in der Meerenge".

Dies ist bestechend hilflos. In einem kleinen Raum sitzen fünfundvierzig Männer. Zwischen den Beinen eine kleine Plastiktüte von Marlboro, darin Hemd und Hose. Vor den Wartenden flimmert die Glotze mit dem Werbespot aus dem fernen, glitzernden Madrid: Die spanische Regierung warnt: "Bootsfahrten in der Meerenge von Gibraltar gefährden ihre Gesundheit."

Die Reaktionen der Zielgruppe sind aus der Zigarettenwerbung bekannt. Alle besteigen das Boot gen Norden. Der Letzte schaltet den Fernseher aus.