Gewerkschafter Bonisile James Mzeku zum Streik bei VW in Südafrika

»VW bekommt genug billige Arbeitskräfte«

Hohe Ziele, niedrige Erwartungen, keine Erfolge - der Afrika-Europa-Gipfel, der Anfang der Woche in Kairo stattfand, endete ohne einschlägige Ergebnisse. Auch die Reise des deutschen Außenministers nach Südafrika, Namibia und Mo ç ambique lieferte den afrikanischen Staaten keinen Grund zum Optimismus. Für die schwarzen Townships zeigte Joseph Fischer erwartungsgemäß ebensowenig Interesse wie für die Situation in den deutschen Betrieben auf südafrikanischem Boden: »Ein universal gültiges Demokratie-Modell, das man einfach übertragen kann, gibt es nicht.« Und so bleiben verschärfte Ausbeutung und rigide Betriebsführung auf der Tagesordnung. Etwa beim Volkswagen-Werk im südafrikanischen Uitenhagen: Der Betrieb wird seit drei Monaten bestreikt, nachdem 13 Vertrauensleute entlassen wurden. Bonisile James Mzeku, seit 19 Jahren bei VW beschäftigt, ist stellvertretender Vorsitzender des im Streik gegründeten Krisen-Komitees.

Herr Mzeku, was hat sich in den Monaten vor dem Streik bei VW in Uitenhagen zugetragen?

Bis wir im März 1999 eine neue, kämpferische Garde von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten wählten, hatten wir gravierende Probleme mit den bisherigen Shop-Stewards. Diese gaben seit 1996 die Arbeiterrechte auf, die wir in den Vorjahren und während der Apartheid erkämpft hatten. Ein Beispiel dafür ist die A4-Export-Anweisung von 1998 über 60 000 Golf- und Jetta-Modelle für Deutschland. Sie war zum ersten Mal an Bedingungen geknüpft. Die Vertrauensleute stimmten den Auflagen zu, und die Arbeiterschaft erfuhr davon nur aus der Werkszeitung.

Wie sahen diese Auflagen aus?

Mit dem Auftrag wurden 45-Stunden-Woche und Samstagsarbeit eingeführt. Unsere Teepausen ˆ zehn Minuten wurden von zwei auf eine reduziert, sprich: Wir hatten in einer Zehn-Stunden-Schicht insgesamt nur 40 Minuten Pause. Ein weiterer und für uns sehr schmerzlicher Punkt der Vereinbarung war die Einführung eines Urlaubskorridors. Wir wurden gezwungen, unseren Urlaub an unserem Einstellungsjahrestag zu nehmen, statt Betriebsferien parallel zu den Schulferien zu haben. Die für das Projekt eingestellten 700 neuen Arbeitskräfte erhielten nur auf drei Monate befristete Verträge und einen lausigen Lohn von umgerechnet rund acht Mark pro Tag. Das ist nur ein Beispiel für die Arbeit der Shop-Stewards bis zu ihrer Abwahl im März 1999.

Wie reagierten Gewerkschaft und Geschäftsleitung auf das Wahlergebnis?

Die Numsa versuchte ständig, die neuen Vertrauensleute aus ihren Ämtern zu drängen, im Juli und August auf Grund von Arbeiterprotesten vergeblich. Ende Dezember gab es schließlich ein statutenwidrig angesetztes gewerkschaftliches Hearing, auf dem 13 Shop-Stewards in Abwesenheit ihrer Ämter enthoben wurden. Das geschah kurz vor den Betriebsferien, und wir entschlossen uns, bis zum Januar stillzuhalten.

Und dann entschied sich die Belegschaft dafür zu streiken?

Zunächst rief die Numsa für den 17. Januar außerplanmäßig zu einer Vollversammlung auf. Kaum jemand sah ein, dort zu erscheinen. Während die Numsa diese so genannte Vollversammlung mit nur 50 Teilnehmern abhielt, versammelten sich zeitgleich 2 000 mit den Vertrauensleuten sympathisierende Arbeiter an einem anderem Ort im Werk. Die Numsa-Anhänger bestätigten dann die Suspendierung der 13 Vertrauensleute und das Management akzeptierte den undemokratischen Beschluss.Vermutlich gab es eine Übereinkunft zwischen den Numsa-Funktionären und der Geschäftsleitung hinsichtlich der Entlassungen am 17. Januar. Seitdem streiken wir für ihre Wiedereinstellung.

Ist denn absehbar, dass sich die Situation ändern wird? Gibt es Verhandlungen?

Bereits während der ersten Streik-Tage haben wir versucht, Kontakt mit der Geschäftsleitung aufzunehmen - ohne Erfolg. Es gab keine Verhandlungen. Stattdessen stellte die Geschäftsleitung Anfang Februar ein Ultimatum, den Streik zu beenden und entließ am 4. Februar alle, die dem nicht nachgekommen waren - 1 300 Beschäftigte. Personen aus der örtlichen Gemeinde, Gewerkschafter und Geschäftsleute gründeten daraufhin das Krisen-Komitee, das sich beim Management für die Wiedereinstellung der Kollegen einsetzte. Die Geschäftsleitung sagte aber, sie habe vom Mutterwerk in Deutschland die Erlaubnis, die Aussperrung fortzuführen. Wir haben unsere Auseinandersetzung jetzt vor dem CCMA, einer Mediations-Einrichtung für Konflikte zwischen Arbeitskräften und Geschäftsführungen, anhängig gemacht. Der Fall wird dort am 5. April verhandelt. Wir waren gezwungen, uns an einen gewerkschaftsfremden Anwalt zu wenden und mussten dafür aus der Gewerkschaft austreten. Auch der Großteil der im Werk verbliebenen Kollegen ist mittlerweile aus der Numsa ausgetreten.

Von der durchaus kämpferischen Tradition der Numsa ist in Uitenhagen nichts mehr zu sehen. Worin ist diese Abkehr von ihren gewerkschaftspolitischen Wurzeln begründet?

Nach den Parlamentswahlen von 1994 gab es große Veränderungen in den südafrikanischen Gewerkschaften. Die Strukturen wandelten sich, weil viele Funktionäre in den Regierungsapparat wechselten. Die nachrückenden Kollegen hatten offenbar nur wenig Interesse für die Angelegenheiten der Beschäftigten. Sie waren mehr um ihr persönliches Vorankommen besorgt als um die Verteidigung der Arbeitsbedingungen.

Wie stellt sich die alltägliche Situation der Streikenden zur Zeit dar?

Als Krisen-Komitee treffen wir täglich zusammen. Ein- oder zweimal pro Woche berufen wir außerdem eine Vollversammlung aller Streikenden ein. Am 24. März gab es eine große Demonstration aller Arbeitskräfte und ihrer Familien zum Volkswagen-Werk mit der Forderung nach unserer Wiedereinstellung. Nicht zuletzt gehört zu unserer Arbeit, finanzielle Unterstützung in Südafrika und hier in Deutschland einzufordern.

Was nicht unbedingt das einzige Anliegen Ihres Deutschland-Besuchs sein dürfte ...

Nein, neben der Werbung für materielle Unterstützung wollen wir natürlich Öffentlichkeit schaffen. In Uitenhagen müssen wir Räume mieten, und wir haben das große Problem, dass wir die Arbeiter aus den weit voneinander entfernten Townships zu den Versammlungen transportieren müssen. Wir brauchen Unterstützung deutscher Gewerkschafter. Es geht aber nicht nur um die Wiedereinstellung der 1 300 Entlassenen, die teilweise 30 Jahre bei VW beschäftigt sind. Wir sehen eine neue harte Haltung des VW-Konzerns gegenüber einer kämpferischen Arbeiterschaft weltweit. So sind in Brasilien letzte Woche 22 Arbeiter nach einer Aktion »Arbeit nach Vorschrift« entlassen worden.

Die Argumentation der VW-Konzernleitung ist in Brasilien und Südafrika die gleiche: Verhalten wir uns nicht wie erwünscht, verlagert VW die Produktion zurück nach Deutschland. Uns scheint, als wolle die Konzernleitung, dass wir uns vor ihnen verbeugen und uns dankbar erweisen, weil sie hier investieren und Arbeitskräfte schaffen. Sie kriegen aber schon billige Arbeitskraft in diesem Land, können sich also kaum beschweren.

Nun haben Sie sich mit deutschen Gewerkschaftsvertretern getroffen. Haben sich ihre Hoffnungen denn bestätigt?

Einzeln und auf inoffizieller Ebene erfuhren wir große Solidarität. Die offiziellen Treffen mit der IG Metall waren aber nur informeller Art. Die Vertreter haben uns zwar ihre Sympathie ausgedrückt, konkrete Schritten stellten sie nicht in Aussicht. Sie sagten, sie würden die Sache nur auf struktureller Ebene, also mit der Numsa, besprechen und nicht mit uns als einfacher Gruppe von Arbeitern. Es wird am 3. April ein internes IG-Metall-Treffen geben, auf dem auch unser Anliegen diskutiert werden soll.

Alles in allem waren wir sehr geschockt angesichts dieser verhaltenen Resonanz. Wir gingen davon aus, durchaus intensive Kontakte zu den VW-Arbeitern in Deutschland zu haben. Das scheint nicht so zu sein.

Hatten Sie Kontakt zum VW-Weltbetriebsrat oder zur Konzernleitung?

Zwei Delegierte von uns sind zu einem Weltbetriebsrat-Treffen nach Brasilien gereist, allerdings verwehrte ihnen der Weltbetriebsrat-Vorsitzende Hans Uhl die Teilnahme. Es kam später noch zu einem inoffiziellen Gespräch mit ihm, jedoch machte er uns keinerlei Aussichten auf Unterstützung. Wir würden gerne in Deutschland nochmals mit Hans Uhl zusammentreffen. Aber das scheint genauso unmöglich zu sein wie ein Kontakt zur VW-Konzernleitung.