Französisch-marokkanische Beziehungen

Gute Freunde in Paris

Das marokkanische Königshaus gilt Frankreich als Garant der Stabilität im Norden Afrikas. Beim Mittelmeergipfel der EU sollen die wirtschaftlichen Kontakte weiter ausgebaut werden.

Nun hat er also doch geheiratet: Mohammed VI., der 38jährige marokkanische Monarch, der häufig einfach nur »M 6« genannt wird, so wie der im Land sehr beliebte private französische Fernsehkanal. Hartnäckig hatten sich zuvor die Gerüchte über seine angebliche Homosexualität gehalten, was in seinem Milieu als rufschädigend gelten muss. Doch Ende März ehelichte »M 6« die 25jährige Computeringenieurin Salma Bennani.

Sein Vater, Hassan II., der das Land von 1961 bis zu seinem Tod im Juli 1999 mit harter Hand regierte, hielt sich neben seiner »Hauptfrau« Latefa mehrere Dutzend Kurtisanen. Seinem ältesten Sohn wurde eine gewisse Scheu vor dieser Art von Palastleben und dem Prunk, mit dem Hassan II. sich umgeben hatte, nachgesagt.

Manches hat »M 6« aber doch von seinem Vater übernommen, unter anderem einen prominenten »Paten«, wie er ihn nennt. Dieser heißt nicht Hassan, Ahmed oder Ali, sondern Jacques. Dieser Jacques lernte ihn bereits als Kleinkind am Hofe seines Vaters kennen. Nach der Übernahme der Amtsgeschäfte lehrte er ihn, dass man fleißig Hände schütteln und stets »Nähe zu seinem Volk zeigen« muss. Der Pate wusste, wovon er sprach, denn auf diese Weise hatte der begabte Populist Jacques Chirac das Amt des französischen Präsidenten errungen.

Zum Vater von »M 6« hatte Chirac familiäre Beziehungen unterhalten. Den Teilnehmern des Kolloquiums »Hassan II., sein Leben und seine Ruhmestaten«, das im Juli 2000 in Rabat stattfand, ließ er in einer schwülstigen Grußbotschaft verkünden, er habe dem verstorbenen König viel zu verdanken.

Chirac ist nicht der einzige Franzose, der sich von dem höchst kultivierten Gewaltherrscher Hassan II. hat faszinieren lassen, obwohl amnesty international während dessen Regententätigkeit jährlich zahlreiche Menschenrechtsverletzungen dokumentierte. Nach dem Ableben des Monarchen veröffentlichten Intellektuelle und Politiker in der konservativen französischen Tageszeitung Le Figaro Ehrenbekundungen, die in moderner Zeit geradezu unwirklich erscheinen. »Gott möge ihm Ruhm verleihen«, bat Maurice Druon von der ehrwürdigen Académie française, den der marokkanische König als von ihm ernanntes Mitglied seiner Académie royale üppig bezahlt hatte. Doch auch unter Linksbürgerlichen hat die marokkanische Monarchie ihre Bewunderer, so etwa den französischen Präsidentschaftskandidaten Dominique Strauss-Kahn.

Die Beziehungen Frankreichs zu Marokko dürften so eng wie zu keinem anderen Land sein. In politischer Hinsicht galt Marokko schon zu Zeiten des französischen Protektorats zwischen 1912 und 1956 als Hort der Stabilität. Deshalb ließen die französischen Staatsherren den alten monarchischen Staatsapparat fast unangetastet. Im Unterschied zu Marokko und Tunesien befreite sich Algerien selbstständig von der französischen Vorherrschaft, während die Nachbarstaaten erst in einem kontrollierten Übergangsprozess in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Später machte Algerien mit staatssozialistischen Experimenten und Dritte-Welt-Rhetorik auf sich aufmerksam. Und schließlich entstand war die islamistische Opposition, die die Staatsmacht in einem Bürgerkrieg herausforderte.

Die Islamisten sind allerdings auch im monarchischen Marokko erstarkt. Wie in anderen Ländern der Region setzte die Staatsmacht in den siebziger Jahren zunächst auf die Islamisten, um die Linke an den Universitäten zu bekämpfen. Ein Teil der Bewegung entzog sich dann der staatlichen Kontrolle. Wie stark sie heute wirklich ist, ist unbekannt.

Die marokkanischen Islamisten betreiben eine intensive Sozialarbeit mit Suppenküchen und Alphabetisierungsangeboten, allerdings dürfte das algerische Beispiel abschreckend wirken. Islamistische Gewalttaten sind relativ selten, doch Ende Februar wurde in Sidi Moumem, einer ärmeren Vorstadt von Casablanca, ein junger Mann auf offener Straße gelyncht. Von vierzehn festgestellten Tätern sind sieben verhaftet worden.

Extremisten vom Schlage eines Ussama bin Laden finden in Marokko nur bei einer relativ kleinen Minderheit Gehör. Eine Untersuchung des internationalen Gallup-Instituts, das knapp 10 000 Bürger in neun überwiegend muslimischen Ländern befragte, ergab, dass nur acht Prozent der Marokkaner die Attentate vom 11. September vergangenen Jahres als gerechtfertigt betrachten. Hingegen sehen 70 Prozent sie als »unmoralisch« an. Zugleich finden nur zwei Prozent der befragten Marokkaner die Militärschläge der USA in Afghanistan gerechtfertigt, während 71 Prozent sie ablehnen.

Die Islamisten profitieren von einer Politik, die Modernisierung verspricht, aber große Teile der Bevökerung von deren Errungenschaften ausschließt. In ihrer Wirtschaftspolitik setzt die Monarchie auf eine weitere Öffnung des Marktes und eine engere Bindung an die EU.

Bereits jetzt zählt Marokko zu den wichtigsten Stützpfeilern der französischen und der EU-Politik. Das Land gehörte mit Tunesien zu den ersten Staaten im Mittelmeerraum, die ein Assoziierungsabkommen mit der EU schlossen. 1996 unterschrieben, trat es 1997 in Kraft. Es sieht vor allem den Abbau von Zollschranken vor. Nach einem Gipfeltreffen der EU mit den assoziierten Mittelmeerländern Ende April im spanischen Valencia soll die regionale Wirtschaftsintegration, der 1995 begonnene Barcelona-Prozess, nun erneut in Schwung gebracht werden.

Spezialisierte Agrar- oder Textilsektoren könnten vom Wegfall der EU-Importschranken profitieren, andererseits ist in den kommenden Jahren der Zusammenbruch zahlreicher einheimischer Produktionszweige zu erwarten. Bislang jedenfalls hat die wirtschaftliche Bindung an die EU die Armut nicht gemindert. Der Anteil der Marokkaner, die mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen müssen, hat sich seit 1990 von zehn auf 20 Prozent erhöht.

Die anfängliche Euphorie, die auf den Amtsantritt des jungen Thronfolgers vor knapp drei Jahren folgte, ist heute einer Desillusionierung in breiten Schichten gewichen. Der junge König scheint Gefangener der alten Herrschaftscliquen am Hof und im Staatsapparat zu sein. Nach Angaben marokkanischer Medien erklären 70 Prozent der Jugendlichen, dass sie am liebsten nach Europa oder Nordamerika auswandern würden.