Milosevic empfiehlt die Wahl des Neofaschisten Seselj

Rotbraun ist das Amselfeld

Das Kokettieren mit den Königstreuen kennt man von Slobodan Milosevic, seitdem er im Jahr 1987 an die Spitze des Bundes der Serbischen Kommunisten aufstieg. Die Claqueure, die 1989 seine historische Rede auf dem Amselfeld begeistert aufnahmen, waren die gleichen, die 1992 jubelten, als der Tschetnikführer und Vorsitzende der Radikalen Partei Serbiens, Vojislav Seselj, zum Bosnien-Feldzug aufrief. Keine Stimme kam Milosevic damals ungelegen, keine Anbiederung an die Nationalisten war ihm später zu plump, seiner Forderung nach dem Zusammenschluss aller serbisch besiedelten Gebiete zum Durchbruch zu verhelfen.

Ein Kampf für den Erhalt Jugoslawiens? Spätestens seit dem Beginn des Krieges in Kroatien im Jahre 1991 führte Milosevic Titos Idee von der Einheit und Brüderlichkeit der jugoslawischen Nationen nur noch im Munde.

Seinem historischen Antipoden Franjo Tudjman gleich, beschwor Milosevic deshalb immer wieder die Konstellation des Zweiten Weltkriegs herauf, um den eigenen politischen Machtverlust ideologisch zu bremsen. Mit der Aufforderung an seine Sozialistische Partei, die Kandidatur Seseljs bei den Präsidentschaftswahlen Ende September zu unterstützen, gibt er selbst dieses Ziel preis. Dem Kokettieren mit den Königstreuen folgt das Bündnis mit dem Klassenfeind: ein Zusammenschluss aus Mob und Meute, dem Seselj schon am Vorabend des Bosnien-Krieges seine rassistische Stimme verlieh, als er den zwischen Kroatien und Serbien aufgeriebenen bosnischen Muslimen empfahl, sich doch in Anatolien ein neue Heimat zu suchen.

Eineinhalb Jahre nach seiner Verhaftung schließt sich so auch diskursiv der Kreis der Zerschlagung Jugoslawiens, den Milosevic Anfang der neunziger Jahre gemeinsam mit Tudjman zu skizzieren begann. Die Ziele der serbischen Nationalisten im Kampf um den Nachlass Titos formulierte allerdings schon damals Seselj präziser - und auch reaktionärer. Sicherte Milosevic Tudjman frühzeitig die Anerkennung eines eigenen kroatischen Staates zu, so wollte der Tschetnikführer dessen Territorium so klein halten, »wie das Gebiet, das man von der Spitze der Zagreber Kathedrale aus sehen kann«.

Mit der wahlkämpferischen Unterstützung Seseljs wird auch diese Differenzierung hinfällig. Ohnehin nur noch propagandistischer Natur waren die Unterscheidungen zwischen dem von Seselj propagierten Großserbien und einem Serbien aller Serben, wie Milosevic es vorschwebte, bereits zu Beginn der neunziger Jahre.

Dass der antiimperialistische Häftling den Bitten des großserbischen Chauvinisten um »die Stimmen aller Patrioten« nun nachgegeben hat, spricht für diese Deutung. Das handschriftliche Fax an die Parteizentrale könnte deshalb auch das Ende jener Ära der Sozialisten bedeuten, die Milosevic einst selbst einleitete. Der lange Marsch der serbisch gewendeten Tito-Bürokraten sah die Preisgabe des Proporzsystems zwischen den jugoslawischen Republiken und die Sicherung der Hegemonie Belgrads bei der Steuerung der politökonomischen Zerfallsprozesse vor. Geblieben sind den serbischen Sozialisten nach vier verlorenen Kriegen nicht einmal die Bürokratensessel.

Vielleicht auch aus diesem Grund holt Milosevic die im politischen Alltag nie ganz vollendete Metamorphose vom autoritären Apparatschik zum überzeugten Nationalisten nun im Gefängnis nach.