Kandidaten der CDU und der FDP in Friedrichshain-Kreuzberg

Nummer sieben lebt

Wer ist Kurt Wansner? Und was will Martina Schäfer? Die Kandidaten der CDU und der FDP in Friedrichshain-Kreuzberg sind etwas absonderlich.

In das kleine Wahlkampfteam der FDP kommt Bewegung. »Bewegung für Deutschland« heißt es zwar auf den Flugblättern, die am Stand am Kottbusser Tor in Kreuzberg ausliegen, doch zunächst geht es darum, eine Gruppe Kinder zu disziplinieren, die nun schon zum wiederholten Male den Klapptisch attackieren, um an die begehrten Fähnchen und Luftballons der Partei zu gelangen. »Schluss jetzt, sonst gibt es Ärger«, schimpft ein schmächtiger Jungliberaler. Der Jurastudent bringt die Lage schließlich unter Kontrolle.

In der heißen Phase des Wahlkampfes hat sich Martina Schäfer, die Kandidatin der FDP in Friedrichshain-Kreuzberg, zusammen mit zwei Mitstreitern ins Zentrum des »Verliererbezirks« auf Stimmenfang begeben. Allerdings etwas abseits südlich der U-Bahntrasse. »Drüben sind zwar mehr Menschen, aber da stehen so viele Fahrräder. Wir wollen ja nicht den Weg versperren«, erklärt die Bewerberin den ungünstigen Standort. Außer Kindern kommen nur einige Punks vorbei, die für die FDP nur unflätige Worte übrig haben und mit Müll werfen.

Schäfers Kandidatur für den Bundestag kam überraschend. »In die Partei bin ich durch das Projekt Absolute Mehrheit der Studierenden im Hochschulstreik 1997 gekommen.« Die Übernahme der Partei hat zwar nicht geklappt, 80 Prozent der damaligen Kommilitonen seien wieder ausgetreten. Sie aber sei dabei geblieben.

Rund 80 Prozent der Zweitstimmen, »so genau habe ich das noch nie ausgerechnet«, wären es auch, die die FDP in Berlin erreichen müsste, damit Martina Schäfer über die Landesliste in den Bundestag einziehen könnte. Die 32jährige Studentin der Psychologie und Religionswissenschaften wurde für die Kandidatur von der Mitgliederversammlung vorgeschlagen. »Man muss die Chancen nutzen, die sich einem bieten.« Dafür lässt sie sogar ihre Magisterarbeit ruhen. »Den Wahlkampf muss ich allerdings aus eigener Tasche finanzieren.« Andere sind da nicht so opferbereit: »Wir haben zwar 120 Mitglieder im Bezirk, aber nur fünf beteiligen sich aktiv am Wahlkampf«, klagt Schäfer.

Wie der Rest der kleinen Wahlkampfcombo entspricht die Kandidatin nicht dem Bild, das man von adretten Jungliberalen hat. In ein flatterndes Gewand gehüllt, sieht sie aus wie eine typische Kirchentagsbesucherin. Auch ihre Lieblingsthemen sind für die FDP untypisch. »Ein Hauptgrund, warum ich in die FDP eingetreten bin, war der Tierschutz.« Deswegen tritt Schäfer auch für die Verbreitung von Hundeklos ein. »Wer Hundesteuer bezahlt, muss dafür auch etwas geboten kriegen«, meint sie.

Auch »Multikulti« liegt der auf Bildung spezialisierten Studentin am Herzen. »Ich profitiere von Multikulti. In meiner Freizeit mache ich Bauchtanz, das ist so orientalischer Tanz. Außerdem gehe ich gerne ausländisch essen.« Insgeheim zählt sie schon die Tage, bis sie diesen Vergnügungen wieder nachgehen kann, der Wahlkampf sei doch anstrengend. Dennoch wünscht sich Martina Schäfer ein gutes Ergebnis. »Ich will die Fünfprozenthürde überspringen«, sagt sie strahlend.

Für Kurt Wansner sieht die Lage schon ganz anders aus. »Hoffnungslos? Unsere Chancen sind nicht hoffnungslos«, weiß der Direktkandidat der CDU für Friedrichshain-Kreuzberg. Der kleine bierbäuchige Mann räkelt sich in den tiefen Sesseln der Lounge des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Hintergrund dröhnt die Debatte über das Papier der Hartz-Kommission aus dem Sitzungssaal. Der 54jährige ist sich zwar sicher, dass die Grünen und die PDS mit ihren Hoffnungen am Ende sind, doch woher er diese Gewissheit nimmt, kann er nicht schlüssig erklären.

Freilich muss er sich vor seiner Konkurrentin von den Liberalen, vor Martina Schäfer, kaum fürchten. Dann schon eher vor dem SPD-Kandidaten Andreas Matthae. Doch der Wettbewerb, wer für Kreuzberg-Friedrichshain als Direktkandidat in den Bundestag einzieht, werden wohl Bärbel Grygier (PDS) und Hans-Christian Ströbele von den Grünen unter sich entscheiden. Grygier verlässt sich im Wahlkampf darauf, dass sie sich als Bürgermeisterin des Bezirks einen guten Ruf erwerben konnte. Und Ströbele, der seit Wochen mit dem Fahrrad und mit Handzetteln durch den Wahlkreis tourt, kann zumindest auf Mitleid hoffen. Und, wer weiß, vielleicht gewinnt er ja.

Das alles ficht Kurt Wansner nicht an. Der CDU-Mann glaubt an seine Chance auf ein Direktmandat. Und er weiß, wie er sein Ziel erreichen kann: »Man muss umdenken, umdenken für Arbeitsplätze.« Aus diesem Grund lautet sein Wahlkampfslogan, der auf den Plakaten im Bezirk prangt: »Vorfahrt für Beschäftigung«. Was er wohl damit meint?

Wansner erklärt es: »Es soll so sein wie früher, in die Hinterhöfe muss wieder Kleingewerbe einziehen, die Handwerker und Schuster müssen zurückkommen.« Wohnen und Arbeiten sollen wieder eine Einheit bilden, erläutert er. Für die Wiederherstellung der wilhelminischen Idylle plant er den großen Angriff, damit »hier die soziale Mischung wieder stimmt«. Es seien vor allem die vielen Sozialhilfeempfänger und die »Ausländer«, die zu einer sozialen Schieflage beitrügen. »Ich war schon immer gegen Multikulti. Wenn hier Wohnungen frei werden, müssen wir die verantwortungsvoller belegen.«

Auch die »Innere Sicherheit« ist ein Schwerpunkt seines Wahlkampfes: »Wir brauchen einen neuen Polizeiabschnitt im Südosten, Sie wissen schon, in 36.« Die neuen Truppen sollen natürlich »modern und zeitgemäß« mit Pfefferspray und Elektroschockpistolen ausgestattet sein. Die am Kottbusser Tor geplanten Fixerstuben sind Wansner ein Dorn im Auge. »Mit solchen rechtsfreien Räumen importieren wir uns doch noch mehr Drogen und Probleme.«

Dabei fühlt sich der technische Sachbearbeiter sehr wohl in Kreuzberg, schließlich ist er am Bethaniendamm aufgewachsen und hat auch später im Bezirk gelebt und gearbeitet. »Bedroht? Ich habe mich in Kreuzberg-Friedrichshain noch nie bedroht gefühlt. Ja, vielleicht zu harten Zeiten der Hausbesetzerszene, Mitte der achtziger Jahre, da konnte es passieren, dass Ihnen in der Naunynstraße etwas geschieht, aber heute doch nicht.«

Aber eigentlich habe er auch damals, in seiner Funktion als Bauaufsichtsrat des Bezirks, keine Probleme gehabt. »Bei den besetzten Häusern mussten wir oft Begehungen machen und viel sperren, aber ich habe noch heute gute Kontakte zu den ehemaligen Besetzern, die sind doch inzwischen viel konservativer als so manch anderer«, erzählt er stolz. Begehungen gehören auch heute noch zu Wansners Alltag. »Ich kenne jedes Seniorenwohnheim, jedes Altenstift im Bezirk von innen. Die über 55jährigen sind meine Zielgruppe.« Da ist es nur gut, dass er über einen recht sicheren Platz auf der Landesliste seiner Partei verfügt, Wansner ist die Nummer sieben. Sonst könnte er den Einzug in den Bundestag wohl wirklich vergessen.