Die Krise der PDS

Sozis gegen Sozis

Die einen sind auf dem Weg zur SPD, die anderen waren schon da. In der PDS kämpfen Sozialdemokraten um die Macht.
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Sie sind die alten Herren der PDS. Sie haben die Partei aus der SED herausgeführt und dafür gesorgt, dass sie nicht zu einer DKP des Ostens verkam: Gregor Gysi, Lothar Bisky, Heinz Vietze, André Brie, Dietmar Bartsch und Michael Schumann.

Immer wenn es um die Existenz der Partei ging, dann war es dieser Männerzirkel, der zur Rettung bereit stand. So Ende des Jahres 1994, als die Treuhand mit einer abenteuerlichen Steuerforderung von über 67 Millionen Mark drohte, der Partei den Garaus zu machen. Gysi, Bisky, Brie, Vietze und Schumann besetzten daraufhin das Gebäude der Treuhand und ketteten sich an den Heizkörpern fest. Nach der Räumung durch die Polizei führten sie in der Berliner Volksbühne eine Woche lang einen Hungerstreik durch, bis die Steuerforderung vom Verwaltungsgericht zurückgenommen wurde.

Am Mittwoch vergangener Woche traf die Herrenriege, ohne den inzwischen verstorbenen Schumann, wieder zusammen. Gysi hatte eingeladen. Es war klar, wieder einmal geht es um alles. Nur dass es diesmal kein äußerer Feind ist, der die PDS bedroht, sondern ein interner Machtkampf. Weil auf dem Parteitag in Gera sämtliche Politiker aus den Reihen der so genannten Reformer abserviert wurden, überlegen sie nun, wie sie weitermachen sollen. Austreten? In der PDS um neue Mehrheiten kämpfen? Selbst die Gründung einer neuen Partei wurde erwogen.

Schon während des Parteitages diskutierten Brie und Gysi, der das Ereignis in seinem Wohnzimmer via Phoenix verfolgte, diese Möglichkeit. Auf dem Treffen am vorigen Mittwoch in Gysis Wohnung in Pankow siegte jedoch die Einsicht, dass es für eine weitere Linkspartei in Deutschland keinen Platz gebe und es besser sei, um die PDS zu kämpfen. Immerhin finden die Reformer in den Landesverbänden Berlin, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, zumindest unter den Funktionären, reichlich Unterstützung.

Für Außenstehende ist der Machtkampf in seiner Härte und Unerbittlichkeit kaum zu verstehen. Es wäre falsch, den Konflikt darauf zu reduzieren, bei den Reformern handele es sich um die regierungswilligen Realos und bei Gabi Zimmer und Co. um orthodoxe Fundis. Zimmer äußerte sich erst kurz vor der Bundestagswahl kritisch über Regierungsbeteiligungen und sicherte noch in der letzten Woche den Genossen in Mecklenburg-Vorpommern ihre volle Unterstützung bei den Koalitionsverhandlungen zu.

Dass sie plötzlich auf einen verbalradikalen Oppositionskurs umgeschwenkt ist, liegt wohl hauptsächlich daran, dass sie um ihre Wiederwahl als Parteivorsitzende fürchten musste. Um eine Niederlage zu vermeiden, suchte sie sogar die Unterstützung der Kommunistischen Plattform. Doch auch wenn dem Geraer Parteitag tatsächlich die Weigerung folgen sollte, sich künftig an Regierungen zu beteiligen, sagte sie noch nichts über Inhalte aus. Opposition allein ist schließlich noch nicht links.

Das zeigt auch ein Blick auf die Führungsspitze. Da wäre zunächst Gabi Zimmer, die alte und neue Parteivorsitzende. Von ihr war in den letzten zwei Jahren kaum etwas zu vernehmen, außer dass sie gleich nach ihrer Wahl bekannte, Deutschland zu »lieben«, und der PDS ein positives Verhältnis zur Nation abverlangte. Angeblich wollte sie auf diese Weise Wähler am rechten Rand abholen.

Als ihre Stellvertreter finden sich die einflusslose, innerhalb von wenigen Minuten in Gera nominierte Heidemarie Lüth aus Sachsen, das ehemalige SPD-Mitglied Dieter Dehm und der Vorsitzende der sächsischen Landtagsfraktion der PDS, Peter Porsch. Dehm, den sein Job als Manager und Musikproduzent zum Millionär machte, unterstützte Zimmer seinerzeit bei ihrem nationalen Bekenntnis. Die Linke solle mit der »albernen Verwechslung von 'national' und 'nationalistisch' aufhören« und den transnationalen »Monopolen entgegentreten, die den nationalen Sozialstaat unterhöhlen wollen«. (Jungle World, 04/01). Dehms Hauptfeindin ist »die Macht der Banken und Konzerne«, während er selbst in der SPD Sprecher der mittelständischen Unternehmer war und sich auch in der PDS besonders für Kleinkapitalisten stark macht.

Peter Porsch kann ebenfalls kaum als Linker gelten. Antifa-Demonstrationen in so genannten »national befreiten Zonen« denunzierte er als »Demonstrationstourismus«, von der autonomen Antifa distanzierte er sich immer wieder nachdrücklich. Porsch sorgte auch für Aufsehen, als er nach Österreich zum Skiurlaub fuhr und das als Signal gegen den Boykott Österreichs nach der Wahl Haiders verstanden wissen wollte.

Dass sein Pressesprecher Marcel Braumann Artikel für rechtsextreme Zeitungen wie wir selbst schrieb, der »Zeitung für nationale Identität«, stört ihn ebenfalls nicht. Auf einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin im Februar stritt Porsch gegen die Verunreinigung der deutschen Sprache durch zu viele Anglizismen.

Den wichtigsten Job neben der Parteivorsitzenden bekam in Gera der aus der SPD übergelaufene Uwe Hiksch. Er ist nunmehr Bundesgeschäftsführer und löst Dietmar Bartsch ab. Hiksch wechselte wie Dehm 1999 zur PDS. In seinem Wahlkreis Coburg in Bayern wurde er vor allem dadurch bekannt, dass er der Schließung des dortigen Standortes des Bundesgrenzschutzes widersprach. Dass er ebenfalls nicht gerade ein linker Fundi ist, erklärte er 1999 in der Jungle World: »Ich bin kein Radikaloppositioneller. Ich möchte regieren und mithelfen, dass die PDS auch auf Bundesebene regierungsfähig wird. (...) Ich war Sozialdemokrat, ich bin Sozialdemokrat und werde Sozialdemokrat bleiben.« (Jungle World, 41/99)

Während also Gysi, Brie und Bartsch von Teilen der Parteibasis und den Anhängern Zimmers zu Recht eine zu große Nähe zur SPD vorgeworfen wird, übernehmen derzeit echte Sozialdemokraten die Führung in der PDS. Erwähnenswert ist auch, dass ebenfalls vor drei Jahren Kurt Neumann, ein Stratege der SPD, zur PDS wechselte. 30 lange Jahre war er sozialdemokratischer Parteifunktionär, wurde dann Referent der PDS-Bundestagsfraktion und vertrat unter anderem die Auffassung, über Zuwanderungsbegrenzungen müsse man sich ernsthaft Gedanken machen. Schließlich gelte es, zunächst einmal Arbeitsplätze für Deutsche zu schaffen. Neumann gilt als enger Vertrauter von Lüth, Dehm und Zimmer.

Doch was geht es die Linke an, wenn zwei sozialdemokratische Fraktionen sich streiten? Das Problem der verbalmarxistischen Fraktion um Dehm und Hiksch ist es, dass sie zwar als Linke gelten, dabei aber offen sind für rot-braune Begehrlichkeiten. Es ist bezeichnend, dass die Kommunistische Plattform diesen Rechtsruck in der PDS als ihren großen Sieg feiert. Auch Winfried Wolf, der der KPF nahe steht, sprang nach der Wahl Zimmers in Gera von seinem Stuhl auf und klatschte emphatisch Beifall. Der den Reformern nahe stehenden Angela Marquardt rief er dabei hämisch zu: »Deine Zeit ist abgelaufen!«

Während die Kommunisten noch feixen, sind die Sozialdemokraten schon aktiv. So soll sich Hiksch in der letzten Woche im Karl-Liebknecht-Haus Gregor Gysi in den Weg gestellt und ihn an der Benutzung eines Computers gehindert haben. Für das Verfassen parteischädigender Papiere stünden die Geräte des Hauses nicht zur Verfügung.