Eher brennt die BVG

Weil die Jagd auf Schwarzfahrer allein nicht reich macht, wollen die Berliner Verkehrsbetriebe nun auch am Personal kräftig sparen. Verdi protestiert bereits zaghaft gegen die Pläne. von jan süselbeck

Ich stempel’ einfach nicht ab – und wenn die Kontrolleure kommen, rede ich nur noch Spanisch!« Was dem geübten Schwarzfahrer in früheren Zeiten half, eine Fahrscheinkontrolle schadlos zu überstehen, zieht bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) jetzt nicht mehr. Unter dem Titel »Fahr fair« will die BVG eine Informationskampagne gegen zahlungsmüde Kunden starten.

»Sehr geehrter Fahrgast, bitte vergessen Sie nicht, Ihren Fahrschein zu entwerten!«, soll eine Stimme auf den Berliner Bahnsteigen ermahnen, um polyglott hinzuzufügen: »Dear passenger, please do not forget to validate your ticket!« Selbst wer sich taub stellt, entkommt diesem Hinweis bald nicht mehr: Er wird auf allen Anzeigetafeln zu lesen sein und auf großen gelben Aufklebern auf dem Fußboden prangen. Dieser Slogan ist bereits überall zu lesen: »Liebe Schwarzfahrer, unsere Kontrolleure sind so unauffällig wie ihr.«

Nach Angaben der BVG fahren heutzutage sieben Prozent der Fahrgäste ohne Ticket. »Durch Schwarzfahren entsteht ein Schaden von jährlich mindestens 20 Millionen Euro. Das können wir nicht tolerieren«, sagte der Vorstandsvorsitzende der BVG, Andreas Graf von Arnim, kürzlich der Berliner Zeitung. Deswegen sind für die BVG bereits seit April 2002 zusätzlich zivil gekleidete Angestellte der »Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz« beziehungsweise der »Wachschutzgesellschaft« als Fahrkartenkontrolleure im Einsatz. Gemeinsam mit den BVG-Kontrolleuren sollen die 320 Privatangestellten in diesem Jahr eine halbe Million Schwarzfahrer ermitteln. Davon verspricht sich die BVG 6,1 Millionen Euro Mehreinnahmen.

»Wo Licht ist, da fällt auch Schatten«, musste Arnim allerdings kürzlich entschuldigend einräumen. Denn die Hilfskontrolleure, die mit Bruttostundenlöhnen von fünf bis sechs Euro auskommen müssen, sorgten Anfang des Jahres für schlechte Schlagzeilen. Viele Fahrgäste, darunter vor allem Touristen, beklagten sich über die rabiaten Jäger der Schwarzfahrer. Doch der Imageschaden scheint kleiner zu sein als der Gewinn, den die BVG durch ihren Einsatz abschöpfen kann. Die Fahrgastkontrollen durch private Sicherheitsfirmen sollen in Zukunft noch ausgeweitet werden, berichtete die taz.

Selbst martialisch auftretende Kontrolleure in Netzhemden und Armeehosen können für die BVG aber nicht genug Geld eintreiben. Nach einem von Arnim im Auftrag des Landes Berlin erarbeiteten Sanierungskonzept, das vorige Woche im Aufsichtsrat der BVG debattiert wurde, soll bis zum Jahr 2007 mehr als die Hälfte der Angestellten entlassen werden. Nur noch 6 000 von derzeit noch rund 12 500 Arbeitsplätzen blieben somit erhalten. Für die gesamte so genannte BVG-Gruppe – die BVG und alle assoziierten Tochter- und Wachschutzgesellschaften – stünde eine Personalreduzierung um insgesamt 30 Prozent an. Zudem sollen die Löhne und Gehälter um ebenfalls 30 Prozent, das entspricht rund 152 Millionen Euro, gesenkt werden.

Verdi und die Personalvertretung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), die auch von den Kürzungen betroffen sein werden, kündigten Proteste gegen diese »Arbeitsplatzvernichtung« an. Einige hundert BVG-Beschäftigte demonstrierten bereits am vergangenen Mittwoch vor der Hauptverwaltung in der Potsdamer Straße, wo der Aufsichtsrat tagte. »Wir werden verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen«, versuchte der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Demonstranten zu beschwichtigen. »Die BVG wird jährlich mit 500 Millionen Euro subventioniert und hat trotzdem ein Defizit. Darüber müssen wir gemeinsam reden.«

Verdi verteilte in den U-Bahnhöfen und Zügen bereits Flugblätter mit der Aufschrift: »Bürger, schützt euer Eigentum!« Mit dem hellsichtigen Hinweis darauf, »Sanierung eines Unternehmens« bedeute heutzutage, dass »Angebote reduziert oder eingestellt werden und die Preise steigen«, will die Gewerkschaft die Steuer zahlenden Mitbürger dazu bringen, sich für »ihre Bürgerrechte« und die »Berliner Standortvorteile« einzusetzen. In gewerkschaftlicher Bescheidenheit fordert Verdi, alles möge so bleiben, wie es ist.

In der Tat ist absehbar, dass Bus- und Bahnlinien gestrichen werden. Die bisher im bundesweiten Vergleich noch guten Anbindungen im öffentlichen Berliner Stadtverkehr könnten bald Vergangenheit sein. Und dass der neue Verlust an Service nicht durch billigere Fahrscheine ausgeglichen werden wird, ist ohnehin klar. Im Gegenteil wird die U-Bahn für immer mehr Menschen unbezahlbar, vor allem für jene, die am meisten auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind: Schüler, Studenten, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

Immer klarer wird indes, dass der Berliner Finanzsenator Sarrazin die »Optimierungsvorschläge« Arnims unterstützt. Ob der Regierende Bürgermeister und der restliche Berliner Senat genauso denken, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Dann wird auch Verdi über die weiteren Proteste entscheiden.