Aufgeschobene Zukunft

Die arabischen Kulturszenen sind zu versteinerten geschlossenen Zirkeln geworden. Es kann nicht mehr zwischen Politik und Kultur unterschieden werden. von gamal zayda

In der ägyptischen Wochenzeitung al-Ahram weekly kritisierte der stellvertretende Chefredakteur in der vergangenen Woche die veralteten Konzepte und Fehlentscheidungen der Verantwortlichen für die arabische Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse. Wir dokumentieren den gekürzten Artikel.

Der Cheforganisator des Gastlandauftritts bei der Frankfurter Buchmesse, Mohammed Ghoneim, äußerte am 28. August, dass es »auf der Frankfurter Buchmesse nicht um Politik gehen sollte, denn die Messe ist ein Kulturforum und nicht die UN«. Aber es kann nicht mehr künstlich zwischen dem, was politisch, und dem, was unpolitisch ist, unterschieden werden, gerade dann nicht, wenn man die Gründe für den kulturellen Niedergang der Araber thematisieren möchte: Dies kann schwerlich durch das Ignorieren von politischer Unterdrückung und Unzulänglichkeit geschehen, die die Ursachen sind.

Es ist möglich, dass der für die arabische Präsentation in Frankfurt verantwortliche Direktor diese Aussage machte, um eine Teilnahme von möglichst vielen arabischen Gästen sicherzustellen. Wie dem auch sei, ohne es zu wollen, zeigt diese Aussage die Abgründe, in die die arabische Kulturszene abgerutscht ist. Aussagen wie die von Ghoneim drücken eine Technokratenmentalität aus, deren Hauptziel es ist, die Interessen der arabischen politischen Systeme im Gleichgewicht zu halten, während die Hindernisse, zu denen so viele von ihnen beitragen, ignoriert werden, wie zum Beispiel die Unfähigkeit, gegen Armut vorzugehen und den grassierenden Analphabetismus zu bekämpfen. Aber diese Art, einfach über Themen hinwegzugehen, und der Versuch, den Zustand der arabischen Kultur vor den Augen des deutschen und internationalen Publikums zu beschönigen, wird nicht funktionieren.

Wie kann man das auch erwarten, wenn durch verhärtete Interessen und überholte Ansichten jungen arabischen Schriftstellern und Künstlern der Weg verbaut wird, sich anderen Kulturen zu öffnen und sich mit ihnen auszutauschen? Die Fakten sprechen für sich: Die arabische Kultur fristet ihr Dasein in einer Umwelt, in der die Ausgaben für Bücher oder eine andere Art von Lektüre sehr gering sind. Dringende Bedürfnisse wie Nahrung und Kleidung bestimmen das Kaufverhalten der meisten arabischen Haushalte.

Die arabischen Kulturszenen sind zu versteinerten geschlossenen Zirkeln geworden, die darüber frustriert sind, dass sie nichts veröffentlichen können, weil Talent fördernde Institutionen fehlen. Ausnahmen bilden nur solche Institutionen und Vereine, die von Privatpersonen aus ölfördernden Ländern finanziert werden, die sich als Kunstmäzene einen höheren sozialen Status versprechen.

Weniger die Zensur von politischen Themen als diese Probleme hätten die Verantwortlichen für die arabische Kultur bedenken sollen, als sie nach Frankfurt aufbrachen. Die genaue Überprüfung der geladenen Teilnehmer lässt wenig Hoffnung zu, dass irgendein (auf der Buchmesse vorgestellter) Roman die auf der Hand liegenden Fragen thematisiert. Viel Aufregung hat die Ankündigung der Namen der Teilnehmenden hervorgerufen und derer, die sich, wie der bahrainsche Schriftsteller Mohammed Jaber al-Ansari und der Marokkaner Mohammed Abed al-Jabrym, »bedauerlicherweise entschuldigten«.

Es ist, als sei es das Ziel der Organisatoren, die arabische Kultur groß herauszustellen und zu zeigen, dass es trotz allem eine bedeutende Anzahl von Personen gibt, die an einem Dialog mit dem Westen teilnehmen könnten. Aber wo sind die Namen der jungen und aufstrebenden Autoren und Künstler, die die Zukunft der arabischen Kultur bestimmen werden? Wo sind die talentierten Personen, die die Kreativität in den kommenden Jahrzehnten verkörpern werden? Die Antwort ist, dass sie deshalb nicht in Frankfurt vertreten sein werden, weil es ihnen nicht gelang, das Monopol der alteingesessenen Zeitungen zu durchbrechen. Sie können mit den Verbindungen, den Interessen oder der exklusiven Fähigkeit anderer, mit westlichen Institutionen über Übersetzungsfinanzierungen zu verhandeln, nicht mithalten.

Bevor wir in irgendeinen Dialog mit dem Westen treten, sollten wir zunächst auf uns und unsere Fehler schauen und dabei hoffentlich eine neue Politik entdecken, die in der Lage ist, neue Ideen und Talente zu fördern. Die arabische Präsentation in Frankfurt sollte unter der Frage stehen: Was führte zum Zusammenprall der arabisch-islamischen Kultur mit dem Westen nach dem 11. September? Nur durch die Beantwortung dieser Frage kann die arabische Welt auf Augenhöhe mit dem Westen und jeder anderen Kultur gelangen.

Die westliche Presse hat oft ironisch bemerkt, dass die arabische Kultur – nach ihrer postimperialistischen Phase der politischen und ökonomischen Liberalisierung – der Welt wenig geboten hat. Und wenn jemand weiß, warum das so ist, dann wir – die Araber. Wir wissen warum, wenn wir unser überholtes und undemokratisches Bildungssystem, das weder zu unabhängigem Denken noch zu wissenschaftlicher Forschung ermutigt, überprüfen. Wir wissen warum, wenn wir sehen, wie unser Universitätsbetrieb durch schwerfällige Bürokratien belastet wird und wie dort ein Klima herrscht, in dem Korruption und Vetternwirtschaft trauriger Alltag sind. Das gilt auch für unsere Professoren, die mehr darauf aus sind, ihren eigenen Posten zu behalten als ihren Studenten Wissen zu vermitteln.

Es ist nicht zu leugnen, dass unser Erbe für die Welt nach der Phase der Liberalisierung nur sehr dürftig ist. Trotzdem können Fortschritte gemacht werden, auch wenn sie die arabische Seite zu wissenschaftlicher und kultureller Kooperation mit Europa und dem Westen nötigt, einer Aufgabe, die nun dringend erforderlich ist. Dieser Situation können wir uns nur stellen und daran arbeiten, sie zu ändern. Leider werden wir auf andere Gelegenheiten als die Frankfurter Buchmesse warten müssen.

Übersetzung: Memri