Der Zar ist entthront

Die Wahlen in Bulgarien

An Vielfalt fehlt es dem neuen bulgarischen Parlament nicht. Sieben Parteien haben nach den Wahlen vom Samstag den Einzug in die Nationalversammlung geschafft. Zwar hat die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) mit 31 Prozent die meisten Stimmen erhalten, jedoch nicht den prognostizierten überragenden Sieg davongetragen.

Am Sonnabend präsentierte sich ihr Vorsitzender, Sergej Stanishev, bereits ganz als Staatsmann und Vertreter einer »modernen europäischen sozialistischen Linken«. Der Sieg der BSP sei ein Zeichen dafür, dass die Leute »mehr Staatlichkeit« wünschten. Gleichzeitig meinte er, der EU-Beitritt sei eine Aufgabe, an der die nächste Regierung »unermüdlich« zu arbeiten habe. Die BSP erhält den Auftrag zur Regierungsbildung. Mit wem sie allerdings die notwendige Mehrheit im Parlament bilden will, ist noch unklar.

Achmed Dogan von der »Bewegung für Rechte und Freiheiten« hat wiederholt sein Interesse an einer Koalition bekundet. Seine vor allem bei der türkischen Minderheit beliebte Partei erreichte zwölf Prozent der Stimmen, für eine Mehrheit im Parlament benötigt Stanishev aber mehr Abgeordnete.

Das in drei Kleinparteien gespaltene rechte Lager schloss erwartungsgemäß eine Koalition mit der BSP aus. Es bleibt die Nationale Bewegung Simeon II. (NDSW), die Partei des ehemaligen Thronfolgers und derzeit noch regierenden Premierministers Simeon Sakskoburggotski. Sie erhielt nur knapp 20 Prozent, 2001 hatte sie mehr als doppelt so viele Stimmen gewonnen. Bislang hat Simeon stur eine Koalition mit der BSP ausgeschlossen. Am Wahlabend formulierte er jedoch kryptisch, dass eine »große Koalition« das Beste für Bulgarien sei.

Zumindest Simeon scheint jedoch genug vom Regieren zu haben. Im Wahlkampf der NDSW war er kaum noch präsent. Anscheinend will er sich zurückziehen und sein Leben als Zar ohne Thron genießen. Möglicherweise bereitet er sich aber auch auf eine neue politische Karriere als Präsident vor.

Keinen Partner scheint Stanishev in den nationalistischen Extremisten von Ataka zu haben, obwohl es unter ihren Anhängern viele ehemalige BSP-Wähler gibt, die den europäischen Kurs der Partei nicht goutieren. Die Partei Ataka wurde im Mai gegründet, sie gewann auf Anhieb acht Prozent und ist nunmehr die viertstärkste Partei in der Nationalversammlung. »Ataka drang mit Sturmangriff ein«, titelte die Tageszeitung Trud nach der Wahl. Das Mastermind von Ataka ist Volen Siderov, Autor mehrerer verschwörungstheoretischer Bücher und Fernsehmoderator. Er trat mit dem Slogan an: »Geben wir den Bulgaren Bulgarien zurück« und verlangt einen Austritt aus der Nato und der EU. Die Feindbilder seiner aggressiven Propaganda sind Türken, Roma sowie »ausländische Faktoren«, vor allem in Gestalt der »unter jüdischem Einfluss stehenden« USA.

Kommentatoren betrachten Ataka als anti-europäische Protestpartei, die die von der Wende enttäuschten Wähler anzieht. Uneinig ist man sich, ob man es mit einer gefährlichen Faschisierung zu tun habe oder auf dem Weg der »Normalisierung« sei, denn »Parteien wie diese gibt es in jedem westeuropäischen Land«, wie ein Soziologe meinte. Nicht der Rassismus und Antisemitismus von Ataka ist Gegenstand der Debatte, vielmehr befürchtet man eine weitere Rüge von »Europa«. Die Extremisten, meinen die Vertreter der großen politischen Parteien, müssten im Parlament isoliert werden. Doch spätestens seit Sonnabend ist das »Phänomen Ataka« Gesprächsstoff Nummer eins.

jutta sommerbauer