Viva España!

Während die Rechtsextremisten in Spanien eine starke, einheitliche Bewegung darstellen, ist die Antifa regional zersplittert. Das soll sich ändern. von thorsten mense

Gegen »faschistische Aggressionen« richtet sich die Antifa-Demonstration, die in dieser Woche im nordspanischen Valladolid stattfinden wird. Kurz vor Weihnachten haben Rechtsextreme dort zweimal Jugendliche brutal überfallen und ihnen Hakenkreuze in die Haut gebrannt.

Erst zwei Tage vor Silvester wurde unter dem Auto eines bekannten Madrider Antifaschisten eine Bombe gefunden. Als Motiv für das missglückte Attentat vermutet die Polizei unbesehen eine »Abrechnung« zwischen Mitgliedern der radikalen Lin­ken.

Die sieht sich in Spanien mit einer Öffentlichkeit konfrontiert, die vor dem Problem des Rechts­ex­tre­mis­mus und der eigenen faschistischen Vergangenheit die Augen verschließt. Grund genug dafür, dass in den vergangenen Wochen eine Diskussion darüber begann, wie man eine einheitliche antifaschistische Bewegung in Spanien aufbauen könnte. Das ist neu in dem Land, in dem die Linken sich häufig vor allem mit ihrer Region identifizieren und nicht selten nationalistische und separatistische Bestrebungen he­gen.

Dagegen ist die extreme Rechte ziemlich homogen. Aufschluss über ihren Zustand geben alljährlich die Feierlichkeiten zum Todestag des ehemaligen Diktators Francisco Franco. »Wieder einmal sind tausende hoch gestreckte Arme zurückgekehrt, um vor dem Opernpalast die Hymnen des Kreuzzuges anzustimmen«, verkündete die spanische Neonazi-Gruppe Acción Juvenil Española Ende November im Internet. Am 20. November hatten mehrere tausend Menschen am Gedenkmarsch zum 30. Todestag von »General Franco« in der Innenstadt von Madrid teilgenommen. Junge Neonazis wie greise Franco-Anhänger standen auf der Plaza Oriente, den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben, und schwenkten die alten Flaggen des faschistischen Spanien. Auch Hakenkreuze, NPD- und Reichskriegsflaggen waren zu sehen.

Nach wie vor betrachten Teile der Bevölkerung Franco noch immer als großen Staatsmann. Zuletzt verkündete der Gründer der rechtskonservativen Volkspartei Partido Popular, Manuel Fraga, in einem Interview, dass »am Ende das Urteil über Franco positiv sein« werde. Sein Regime sei »weder faschis­tisch noch totalitär« gewesen.

Neonazis und Postfaschisten können in Spanien vor diesem Hintergrund recht ungehindert agieren. Neben der Democracia Nacional gehört La Falange zu den aktivsten Parteien am rechten Rand. 1933 gegründet, wurde sie unter Franco zur einzig zugelassenen Staatspartei und vertritt bis heute offen faschistische Positionen. Auf Initiative der Falange reisten zu den Feierlichkeiten im November auch Delegationen neonazistischer Parteien aus mehreren Ländern an. Gemeinsam demonstrierten die Rechten für die »Einheit Spaniens«, gedachten Francos in einem Gottesdienst sowie beim Marsch durch Madrid.

Die NPD wurde von Udo Voigt, Holger Apfel und weiteren Mitgliedern des Parteivorstandes vertreten. In einem Bericht lobt die Partei, dass »es keine Gegenkundgebungen gab und keine Demonstrationsteilnehmer durch linksradikale Gewalttäter angegriffen oder verletzt wurden, wie das in Deutschland an der Tagesordnung ist«.

Tatsächlich hatten Neonazis und Franco-Anhänger bislang bei Demonstrationen kaum mit Gegenwehr zu rechnen. Nunmehr wollen sich die regionalen Gruppen besser koor­dinieren. Als erster Erfolg werden die antifaschistischen Demonstrationen in 14 spanischen Städten für die Opfer der Herrschaft Francos, ebenfalls im November, gewertet. Auch die Coordinadora Antifascista aus Ma­drid hatte zu diesem Anlass zu einer Demonstration aufgerufen, an der rund 5 000 Menschen teilnahmen, musste sich aber im Vorfeld mit einem Verbotsantrag herumschlagen. Die dem Partido Popular nahe stehende »Vereinigung für die Opfer des Terrorismus« AVT warf der Antifa »Verherrlichung des Terrorismus« vor, da sie an fünf Opfer des Franco-Regimes erinnern wollte, welche unter anderem der ETA angehört hatten.

Nach Angaben der Organisation Movimiento contra la Intolerancia gibt es in Spanien über 70 neofaschistische Gruppen mit über 15 000 Mitgliedern, Tendenz steigend. Die Polizei führte im vergangenen Jahr mehrere Razzien durch. Im September wurden im Großraum Valencia 20 Mitglie­der der Frente Anti-Sistema verhaftet, und im Frühjahr 2005 hoben die Beamten in einer landesweiten Aktion einen Teil des Blood & Honour-Netzwerks aus. Die 21 Festgenommenen müssen sich nunmehr wegen Leugnung des Holocausts, illegalen Waffenhandels und Bildung einer illegalen Vereinigung verantworten.

In den Vororten vieler Großstädte gibt es eine ausgeprägte Neonazi-Subkultur und finden häufig Übergriffe auf Migranten und Linke statt. Im Sommer 2003 wurde ein 23jähriger Hausbesetzer in Barcelona von Nazis erstochen, im Oktober vorigen Jahres überlebte ein Punk in der Nähe von Madrid nur knapp eine ähnliche Attacke. Im Madrider Stadtteil Villaverde machten Rechts­ex­tre­me im Mai 2005 mehrere Tage lang Jagd auf Einwanderer und zerstörten deren Geschäfte. Die Verhaftung des Briten Mark Atkinson, des Gründers der Racial Volunteer Force, sowie die misslungene Festnahme des deutschen Altnazis Aribert Heim zeugen von guten internationalen Kontakten.

Die Polizei berichtet in einer Studie von Versuchen der spanischen Faschisten, die Frente Nacio­nal Europeo (Nationale Europäische Front) weiter auszubauen. Das Projekt hatte die Falange initiiert und zum Todestag Francos im Jahr 2004 einen ersten Freundschaftsvertrag mit der NPD abgeschlossen. Mittlerweile sind in ihr neofaschistische Parteien aus 14 Ländern organisiert. Und manchmal mischt die Polizei selbst bei den Rechten mit: Der ehemalige Leiter der Policia Nacional in einem migrantisch geprägten Stadtteil von Valencia, José Rey, muss sich derzeit für ein Foto in der Presse rechtfertigen, das ihn auf der Weihnachtsfeier der Neonazi-Partei »España 2000« zeigt.

Die Regierungspartei, der Partido Socialista Obrero Español (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens) sieht die Gefahr trotzdem nicht in erster Linie rechts. Anlässlich der Razzia gegen Blood & Honour verkündete der Innenminister José Antonio Alonso, dass der Staat »mit aller Härte gegen jede Gruppe der extremen Rechten und Linken vorgehen wird«.