Gender Crashing

Ein zermatschter Männerkopf macht noch keinen f­eministischen Film aus. Quentin Tarantinos »Death Proof« sollte man aber dennoch sehen. von markus ströhlein

Strahlen Autos etwas Erotisches aus?« möchte der Reporter wissen. Kurt Russell bejaht die Frage und erzählt die Geschichte seines Ford Hot­rod. Immer wenn er mit dem schnit­tigen Oldtimer, Baujahr 1932, irgendwo durch die Straßen fahre, winkten ihm Frauen jeden Alters zu und verlangten sogar des Öfteren nach einer kurzen Fahrt. An seiner Bekanntheit könne die große Anziehung nicht liegen, gibt der Schauspieler zu bedenken, denn die Scheiben des Hotrod seien dunkel getönt.

Da bleibt nur eine Schlussfolgerung: »Es ist cool. Mein Auto zieht sie so an.« Wer einigermaßen bei Sinnen ist, wird angesichts solcher Äußerungen zunächst mit den Augen rollen. Denn man kann je nach Geschmack zwischen schönen und weniger schönen Fahrzeugen unterscheiden. Doch letztlich bleibt das Auto nur eine Gerätschaft, mit der man ohne körperliche Anstrengung von Punkt A nach Punkt B kommt. Zum Beispiel von der Wohnung zum Kino. Dort könnte man sich dann Quentin Tarantinos neuen Film »Death Proof« ansehen. Auch der Regisseur widmet sich, wie der Hauptdarsteller Russell in einem Interview auf der Internetseite des Films, der Frage, was es auf sich hat mit den Männern, den Frauen und den Autos. Im Lauf des filmischen Exkurses gibt es etliche hervorragende Songs zwischen Surf und Soul zu hören, bezaubernde Schauspielerinnen wie Rosario Dawson, Rose McGowan, Zoe Bell oder Sydney Poitier und Russell als psychopathischen Frauenmörder namens »Stuntman Mike« zu sehen.

Schnelle Autos enden als zerbeultes und zerfetztes Blech. Es wird geredet und geredet, meist pointiert und witzig, manchmal aber auch, nun ja, viel Blech. Auch fliegen abgetrennte Gliedmaßen durch die Luft, und eine Frau zermatscht einen Männerkopf mit einem gezielten Stiefeltritt. Dabei ist die Handlung von »Death Proof« wirklich schlicht. Sie wird linear erzählt, es gibt keine Rückblenden oder Nebenstränge, zu überraschenden Wendungen kommt es nicht. Alles ergibt sich aus der Begegnung einiger Frauen mit Mike. Er ist nicht nur Stuntman, sondern auch ein durchgedrehter Frauenmörder. Sein Mordwerkzeug ist ein gepanzertes Stuntauto, eine röhrende, schwarze Maschine mit einem Totenkopf auf der Motorhaube.

Der Film zerfällt in zwei Teile: Im ersten gelingt dem Stuntman Mike sein Plan. Er beendet die ausgelassene Par­tynacht einer Gruppe junger Frauen und ihre Leben gleich dazu in einem recht fürchterlichen, gezielt vollstreckten Frontalzusammenstoß. Im zweiten Teil gerät Mike an die falschen Frauen, wird vom sadistischen Jäger zum armselig wimmernden Gejagten, eh sein Schädel nur noch als klebrige, blutige Pampe am Asphalt klebt. Die Höhepunkte sind furios festgehalten. Der erste Zusammenprall, der »Death Proof« in zwei Hälften teilt, müsste eigentlich in die Filmgeschichte eingehen: Besser wurde eine Szene, die einen automobilen Hochgeschwindigkeitsvierfachmord zeigt, nie gedreht, geschnitten und stilisiert.

In der finalen Verfolgungsjagd, in der sich die Rollen verkehren und es dem Stuntman Mike und nicht den Frauen an den Kragen geht, besticht vor allem die Stuntfrau Zoe Bell. Sie spielt sich in dem Film selbst. Zusammen mit ihren Freundinnen Kim (Tracie Thomas) und Abernathy (Ro­sario Dawson) stellt sie mit einem Dodge Challenger von 1970 den Stunt »Ship’s Mast« nach. Doch just als sie bei rasanter Fahrt auf der Motorhaube liegt, macht sich Mike an sein Werk und bringt die Frauen in arge Bedrängnis. Dieses waghalsige Herumhangeln auf der Fahrzeugfront ist bei wirklich hoher Geschwindigkeit gedreht. Keine Tricks, keine Nachbearbeitung am Rechner. Diese altbackene Action- und Stuntsequenz besitzt Charme. Beinahe unspektakulär wirkt dagegen das Ende von Stuntman Mike.

Die Frauen nehmen nach der glimpflich ausgegangenen Attacke ihrerseits die Verfolgung auf. Mike beginnt zu heulen und wird schließlich gestellt. Zum Abschluss setzt es den besagten Tritt. Freilich dauern diese Höhepunkte insgesamt nur etwa 20 Minuten. Bei einer Länge von etwa zwei Stunden verbleibt dann eben doch, man muss es so sagen, zu viel Zeit. Auf etliche Dialoge hätte man verzichten können. Zum Glück gibt es aber noch die treffenden, pointierten Wortwechsel, in denen Tarantino wie gewohnt alle Themen verquirlt, die die Popkultur hergibt: Musik, Film, Mode, Sex und Hamburger. Zudem geht der Regisseur in der Zeit zwischen den großen Showdowns seinem eigentlichen Anliegen nach: »Death Proof« soll eine Hommage an alte Trash-Filme sein.

In den USA lief der Film zusammen mit »Planet Terror« von Roberto Rodriguez als Double Feature unter dem Namen »Grindhouse«. Die billigen Kinos in den USA, in denen man in den Siebzigern für wenig Geld einen ganzen Tag mit B-Movies zubringen konnte, hießen »Grindhouses«. Sie hatten sich auf Gewalt und Sex spezialisiert, auf so genannte Exploitation, die dem voyeuristischen Zuschauer gibt, was er verlangt. Tarantino bemüht sich um den trashigen Exploitation-Effekt.

So bleibt die Kamera in den langen Gesprächssequenzen an den feuchten Lippen der Schauspielerinnen kleben, zeigt Nahaufnahmen von Frauenhintern in unglaublich engen Höschen und fängt ein ums andere Mal Frontalansichten der jungen Frauen in knappen T-Shirts ein. Zudem darf Vanessa Fer­lito als Arlene bei einem Lapdance die Biegsamkeit ihres Körpers beweisen. An Gewalt mangelt es auch nicht, auch wenn Tarantino in anderen Filmen durchaus weniger Zurückhaltung gezeigt hat. Um »Death Proof« in Fragen der Bildqualität in die Nähe der alten B-Movies zu rücken, wurde der Film mit Kratzern, Laufstreifen, Dialogsprüngen und holprigen Aktübergängen versehen.

Die große Hommage steckt freilich in der zweiten automobilen Hauptrolle neben dem Wagen des Killers. Der weiße Dodge Challenger, mit dem Zoe, Kim und Abernathy den Stunt nachspielen, ist ein Verweis auf »Vanishing Point« von 1971. In diesem großen Film der US-amerikanischen Counterculture fährt der Held Kowalski mit Speed zugedröhnt in einem solchen Auto von Colorado nach San Francisco. Ein wirklicher Ex­ploitation-Film ist »Death Proof« dennoch nicht. Zum einen merkt man ihm doch an, dass Tarantino mehr Geld zur Verfügung stand als seinen Vorbildern.

Zum anderen ist »Death Proof« wie alle Werke des Regisseurs ein Film über Filme, ein unterhaltsamer, audiovisueller Metakommentar. Und was hat es letztlich auf sich mit den Männern, den Frauen und den Autos? Die Geschlechterrollen werden vertauscht, dem Frauenhasser wird der Garaus gemacht. Noch dazu handelt es sich bei Kurt Russell um einen Prototypen des harten Kerls, um »Snake Plissken«, die Klapperschlange. Dennoch sind die Frauen, die am Ende den Sieg davontragen, keine feministischen Charaktere.

Aber sie sind auch keine Klischees der starken, toughen Frau. Während sie der Abrechnung mit dem Stuntman Mike nachgehen, kichern und johlen sie, als machten sie eine Vergnügungsfahrt im Auto­scooter. Mit einem lauten Lachen wird kurzer Prozess gemacht. Das ist dann eben doch wieder Trash. Er hat zum Geschlechterverhältnis aber allemal mehr zu sagen als Eva Herman. Am Herd stehen oder Männerköpfe zertreten? Da fällt die Wahl doch leicht. Quentin Tarantino begnügt sich nie mit der Rolle des Regisseurs. In »Pulp ­Fiction« und »Reservoir Dogs« tritt er selbst auf, in »Kill Bill« zeigt er sich kurz im Hintergrund. In »Jackie Brown« spricht er einen Satz. In »Death Proof« spielt er Warren, einen Bartender in Austin, Texas.

Death Proof (USA 2007). Regie: Quentin ­Tarantino. Start: 19. Juli