Der Parteitag der NPD in Bamberg

Clowns gegen Braun

Am Wochenende nutzte die NPD Bamberg als idyllische Parteitagskulisse. Die demokratische Mitte versuchte, mit dem Protest gegen die Partei in eigener Sache für eine »weltoffene, gastfreundliche und tolerante« Stadt zu werben, führte aber doch nur eine Provinzposse auf.

Das oberfränkische Bamberg lebt leidlich vom Weltkulturerbe-Siegel der UN. Da das nicht so spektakulär ist, nennt sich der Ort noch »Traumstadt der Deutschen«, was immerhin seine verschlafene, unwirkliche Atmosphäre gut einfängt. Sonderlich mehr kann Bamberg nicht bieten. Impulse gingen von der Stadt in jüngster Vergangenheit höchstens in Form von Abwanderung aus. Etwas Besseres als der Dom findet sich schließ­lich überall. Dieses Hinterwäldlerische wusste bereits das konterrevolutionäre Kabinett Hoffmann zu schätzen, das sich nach der Ausrufung der Münchner Räterepublik 1919 vorübergehend ins Exil nach Bamberg zurückzog.

Auch der NPD gefällt anscheinend die besondere Bamberger Mischung aus imposanter Kulturgeschichte und belangloser, ereignisfreier Gegenwart sehr gut. Zumindest hat sie ihren diesjährigen Bundesparteitag in der Stadt veranstaltet. Bamberg passt als symbolischer wie als tatsächlicher Ort gut in das Raster ihrer Inszenierung. Er entspricht jenem Wunschbild rechter Gutbürgerlichkeit, das auch die offizielle Darstellung der Stadt suggeriert. Und überhaupt erfüllt Nordbayern grundsätzliche Anforderungen an ein Terrain, das die NPD erobern will: eine strukturschwache, aber üppige deutsche Vorzeigelandschaft, ein auch in den verstreuten Mittelstädten dörflich geprägter Raum.

Es bestehen strukturelle Parallelen zu jenen ostdeutschen Gegenden, in denen die NPD sich seit einiger Zeit als politische Kraft austoben kann. Es gibt also Grund genug für die Partei für einen Vorstoß in diesen Raum, wie der Anstieg an rechten Straftaten belegt. Der Parteitag könnte nur der Anfang sein. Gerüchten zufolge will die NPD mit weiteren Veranstaltungsanmeldungen in Bamberg der Strategie folgen, die sie bereits seit 1999 im nahe gelegenen Gräfenberg ausprobiert. Noch dazu steht es um die Verwaltungspolitik günstig. Anders als 2007, als mangels Raum gar kein Parteitag stattfinden konnte, entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2008, die Stadt Bamberg müsse ihre Konzerthalle der NPD zur Verfügung stellen.

Vielleicht sollte sich die malerische Domstadtkulisse ja mäßigend auf die Stimmung in der von einem Finanzskandal und inneren Spannungen zerrütteten Partei auswirken. Die absehbaren bürgerlichen Gegenmaßnahmen dürften in ihrer Berechenbarkeit jedenfalls ein wichtiger Grund für die Wahl des Orts gewesen sein.

Denn wie erwartet beschränkte sich der bürgerliche Protest am vergangenen Wochenende auf die sattsam bekannten Selbstvergewisserungsrituale, während die NPD unbehelligt und gut abgeschirmt tagen konnte. Die demokratische Mitte hatte es vorgezogen, sich auch räumlich vom indiskutablen Teil des rechten Spektrums zu distanzieren, und versammelte sich vor dem Rathaus zum »Fest der Demokratie«, auf dem vermeintliche kulinarische Besonderheiten verkauft wurden und Jongleure und Jongleurinnen ihre Arbeit als Maskottchen der Welt­offenheit und Toleranz verrichteten. Den nötigen Ernst besorgten der pflichtgemäße Redeanteil sowie eine Info-Stellwand. Das »Fest der Demokratie« fügte sich somit gut in die örtliche Fest­agenda ein, lag es doch günstig zwischen den »Bamberger Biertagen« und dem anstehenden schwarz-rot-goldenen Taumel zur Fußball-Europameisterschaft.

Näher ans Geschehen drängte es die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der anderen, der »linken Kundgebung«, nämlich an die Weide, einen Platz schräg gegenüber der NPD-Tagungsstätte. Die lückenlose polizeiliche Abriegelung verhinderte jedoch die direkte Auseinandersetzung. Stattdessen gab es die hinlänglich bekannten Reden im Wechsel mit lokalen Bands, die die zum Zuhören gezwungene Öffentlichkeit schamlos ausnutzten.

Lediglich der Umstand, dass die Antifa Fürth eine Demonstration angemeldet hatte, vermochte es, ein bisschen Verwirrung in die eingespielten Abläufe zu bringen. Angesichts einiger hundert Autonomer, die sich angekündigt hatten, erging sich das bürgerliche Lager in apokalyptischen Visionen. Sie sollten die Kinder besser zuhause lassen, wurde Eltern geraten, falls sie wirklich zur Weide wollten. So begann der Demonstrations­zug recht homogen als schwarzer Block. Erst in der Fußgängerzone ließ sich auch das »bunte Bamberg« nicht mehr von dem grotesk großen Polizeiaufgebot einschüchtern und stieß dazu.

Das »demokratische Lager« verstand es aber auch, die Bilder vom 1. Mai in Hamburg für die eigene Sache zu nutzen: Der »Aufstand der Anständigen« ließ sich aus Angst vor Gewalt bereitwillig als Publikum für eine Bauchtanzveranstaltung zum Rathausplatz umlenken, die Steuerungs­macht des Blatts Fränkischer Tag zeigte Wirkung. Es hatte nämlich – trotz einer angesetzten Rede des Oberbürgermeisters – ganz einfach vergessen, die Veranstaltungen an der Weide in einer Ankündigung zu erwähnen.

Eine zuvor in Nürnberg und Gräfenberg erprobte Maßnahme schien nicht ins Stadtbild zu passen: Die Stadt untersagte kurzerhand, Transparente mit Bildern aus den nationalsozialistischen Vernichtungslagern an der Konzerthalle aufzuhängen. Ihr monochromer Schrecken hätte auch kaum zur allseits eingeforderten »Buntheit und Kreativität des Widerstands« gepasst, jedenfalls nicht so gut wie die Clowns, die Coverbands und die etwa 250 T-Shirts mit der Aufschrift: »In Braun nicht lieferbar«.

So ließen sich unter der Oberfläche der Provinzposse durchaus die Schwierigkeiten eines gesamtgesellschaftlichen Bündnisses gegen Rechts erkennen. Die bürgerliche Front der Anständigen inszenierte sich in lockerer Partylaune, zeigte sich aber dennoch panisch darauf bedacht, keine weiterreichende inhaltliche Forderung zu stellen als die, dass allzu krude Phänomene von Rechtsaußen ausgeschlossen werden sollten. Um die verbindende Kraft der Empörung nicht zu gefährden, wurden sensible Themen wie die Flüchtlingspolitik tunlichst vermieden oder schlichte sozialkritische Floskeln von der »Kälte der Gesellschaft« bemüht. Die Aufregung über die NPD funktioniert an diesem Punkt eher wie ein Abwehrzauber: Die symbolische Gegnerschaft soll über die tatsächliche Kompatibilität hinwegtäuschen.

In dieser Inszenierung benötigen sich die demokratische Mitte und die NPD ohnehin als jeweiliges Gegenüber. Die guten Demokraten und Demokratinnen sind auf die Bilder rechter Bösartigkeit und Gewalt angewiesen. Und die Betroffenheitsrituale der bürgerlichen Mitte liefern das Material, aus dem die Rechtsextremen den Identität stiftenden Mythos von der Vorherrschaft der bürgerlichen Gutmenschen gewinnen. Wie sehr beide Lager dabei voneinander profitieren können und einander brauchen, machte der Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) in einem Fazit deutlich: Die NPD habe die Gelegenheit geboten zu einem »sichtbaren und überzeugenden Beweis dafür, dass Bamberg weltoffen, gastfreundlich und tolerant ist«. Eine »Traumstadt« wie Bamberg hat ein solches Marketing anscheinend äußerst nötig.