2:0

Der türkische Präsident Abdullah Gül betrat am Samstag gemein­sam mit seinem armenischen Amtskollegen Sersch Sarkissjan das Hrazdan-Stadion in Eriwan, um sich das Fußball-Länderspiel zwischen der Türkei und Armenien anzugucken. Was so normal klingt, ist jedoch eine kleine Sensation, denn die Türkei unterhält seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen zu Arme­nien, und Gül ist der erste türkische Staatschef, der das Land besuchte. Armenien fordert von der Türkei die Anerkennung des Genozids an über einer Million Armeniern, was bislang jede türkische Regierung heftig zurückgewiesen hat.
Ob allerdings die mit der Anwesenheit Güls verbundene Hoffnung, die Geschichte habe eine »neue Wendung« genommen, wie es beispielsweise die Zeitung Taraf formulierte, berechtigt ist, darf bezweifelt werden.
Zwar endete das friedlich verlaufende Spiel mit 2:0 für die türkische Mannschaft, größere Proteste blieben aus, türkische Fans sollen im Stadion sogar mit weißen Fahnen gewedelt haben, doch weder verneigte sich Gül vor dem Denkmal des Genozids, noch hat er sich für das Leid entschuldigt, dass die Türken den Armeniern angetan haben. Man kann den Besuch von Gül dennoch als Zeichen für die pragmatische Politik der islamischen Regierungspartei lesen. Tatsächlich kann man die Strategie der AKP mit der Mentalität eines muslimischen Geschäftsmannes vergleichen. Sie ist oft viel rationaler als das Beharren auf einer Nichtlösung seitens der Nationalisten. Doch trotz dieser Pragmatik wird sich an der Haltung der Türkei hinsichtlich der Nicht­anerkennung des Genozids von 1915 nichts ändern.
Auch auf die Hoffnung des armenisch-türkischen Journalisten Markar Esayan, Güls Besuch würde zumindest die Wiederholung eines Pogroms, wie das vom 6. und 7. September 1954 in Istanbul, erschweren, lässt sich nicht wirklich setzen. Damals wur­den die Geschäfte der Gayrimüslims, der nichtmuslimischen Bevölkerung in Istanbul, von staatlich organisierten Banden geplün­dert und zerstört. So ist religiöse Feindschaft gegen Christen nach wie vor eine wesentliche Grundlage der islamistischen Ideo­logen in der Türkei. Und daran haben bislang weder Gül und Ministerpräsident Erdogan etwas geändert.