Der Wahlkampf in Österreich

Palmen säumen ihren Weg

Vor den Wahlen in Österreich hoffen kleine Parteien auf Erfolge, weil SPÖ und ÖVP an Popularität verloren haben.

Ein sonnengelber Teppich leitet die Gäste über den Weg vom Altwiener Burggarten durch die Jugendstil-Glaskuppel der Orangerie in das Wiener Palmenhaus. Die Schuhe der vielen Anzugträger und Cateringangestellten und hohe Absätze hinterlassen auf ihm schnell dunkle Spuren. Die österreichische Kleinpartei Liberales Forum (LiF) lädt hier im Zentrum Wiens, inmitten von klassizistischen Gebäuden, zu einer Wahlkampfveranstaltung unter Palmen. Zumindest der Teppich wird wohl nach der Veranstaltung nicht noch einmal auf der politischen Bühne auftauchen.
Am 28. September wird in Österreich gewählt. Und ab Montag wird alles anders – darauf hoffen die Klein- und Protestparteien, die, ähnlich wie das Liberale Forum, darum kämpfen, mit mehr als vier Prozent der Stimmen in das Parlament einziehen zu können. Auch wenn nicht klar ist, welche der sechs kleinen Parteien ausreichend Stimmen gewinnen können, scheint festzustehen, dass die traditionellen Großparteien SPÖ (Sozialdemokraten) und ÖVP (Konservative) am 28. September viele Wählerinnen und Wähler verlieren werden. SPÖ und ÖVP erhielten bei den vorigen Wahlen im Jahr 2006 zusammen noch rund 70 Pro­zent der Stimmen, diesmal werden jeder der beiden Parteien nur um die 26 Prozent vorhergesagt.

Die neuen Chancen will auch die einzige Frau nutzen, die es jemals als Spitzenkandidatin in das österreichische Parlament geschafft hat. Rund zehn Jahre nach ihrem Rückzug aus der Politik tritt Heide Schmidt nun wieder für das Liberale Forum an. »Das zeigt, dass der Raum für neue Parteien besteht«, sagte der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier der Jungle World.
Das LiF wirbt um linke Wählerinnen und Wähler, es tritt für Bürger- und Minderheitenrechte ein und fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen. Doch aus der zweiten Reihe des LiF sind wirtschaftsliberale Töne zu hören. Der Wirtschaftssprecher Hans-Peter Haselsteiner ist einer der reichsten Österreicher und hat als Vorstandsvorsitzender eines der fünf größten Bauunternehmen Europas nicht nur einen großen Teil von Österreichs Straßen gepflastert. Auch gute Kontakte zu Jörg Haider, zuständig für Bauprojektvergaben in Kärnten, und zum russischen »Oligarchen« Oleg Deripaska werden ihm beispielsweise von den Grünen nachgesagt. So hatte die Wahlveranstaltung trotz der Palmen auch den Charme einer Abschlussfeier der Wirtschaftsuniversität. Trotzdem konstatierte nicht nur der österreichische taz-Autor Robert Misik bei Linksliberalen eine »Heidemania«.
Heide Schmidt war ab 1973 Mitglied der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs). Im Jahr 1988 wurde sie Generalsekretärin dieser Partei, unter Jörg Haider war sie von 1990 bis 1993 sogar Vizeparteivorsitzende. Haider ist weniger für seine liberale denn für seine nationalistische und ausländerfeindliche Politik bekannt. Und so versuchte Schmidt in dieser Zeit, viele von Haiders Aussagen zu relativieren.

Ihre Geduld schien in dieser Hinsicht erstaunlich groß. Doch als Haider 1993 das Volksbegehren »Österreich zuerst« über Migrationspolitik initiierte, hatte sie offensichtlich genug. Schmidt trennte sich mit liberalen Kollegen von der FPÖ und gründete das Liberale Forum, das von 1993 bis 1999 auch im Parlament vertreten war. »Manchmal verstehe ich es selbst nicht, aber es war eine andere Zeit und eine andere FPÖ. Ich habe damals geglaubt, beizutragen, dass sich die FPÖ zu einer liberalen Partei entwickelt. Welch ein Irrtum«, sagt Schmidt nun über diese Zeit. Sie will eine Regierungsbeteiligung der FPÖ und der von Haider geführten Abspaltung BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) verhindern.
Im Zentrum des LiF-Wahlkampfes steht die Spitzenkandidatin. »Das LiF ist einmal aus dem Parlament rausgeflogen, einmal gescheitert und einmal nicht angetreten. Das Programm hat sich ja nahezu nicht verändert. Was sich verändert hat, war ob Heide Schmidt dabei war oder nicht«, sagt Filzmaier. Der Politikwissenschaftler Anton Pelinka meint: »Ohne Heide Schmidt wäre das LiF chancenlos.« Mit ihr bescheinigen beide den Liberalen »mittelmäßige bis mäßige« Chancen für den erneuten Einzug in das Parlament. Und das trotz des Wahlkampfbudgets von rund 1,7 Millionen Euro – von denen allein 1,5 Millionen von Hans-Peter Haselsteiner kommen sollen. Das LiF habe mit der schwachen Tradition des Liberalismus in Österreich zu kämpfen. »Das kommt noch aus der Habsburg-Monarchie, in der der Nationalismus den Liberalismus erschlagen hat«, erklärt Pelinka. »Ein österreichisches Spezifikum« sei das, sagte auch der Pressesprecher des LiF, Peter Aczel, der Jungle World. »In einem so katholisch geprägten Land hat es der Liberalismus halt schwerer.«

Schwerer haben es nun auch die Grünen, denn sie müssen befürchten, dass vor allem ihre Wählerinnen und Wähler zur gelben Partei abwandern. »Beim LiF gibt es ja nur wenig, was andere nicht ohnehin schon vertreten«, sagt der Wirtschaftssprecher der Grünen, Werner Kogler, der Jungle World. Das LiF müsse »eigentlich Liste Haselsteiner« heißen, Parteispenden wie die von Haselsteiner wären »in Frankreich gar nicht erlaubt«, meint er. »Es macht den Eindruck, das LiF habe viele Überschneidungen mit uns. Das mag stimmen, aber unsere letzten Aktionen gegen Überwachungsstaat und den ›Mafia-Paragrafen‹, mit dem Tierschützer über 100 Tage eingesperrt wurden, werden wohl auch registriert«, hofft Kogler.
Überschneidungen zwischen LiF und KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) findet deren Spitzenkandidat Mirko Messner bei demokratiepolitischen Standpunkten. »Klarerweise sind wir aber in puncto Umverteilung, Steuerreform und Privatisierungen unterschiedlicher Auffassung«, sagt er. Bei den vorigen Wahlen erreichte die KPÖ 1,01 Prozent der Stimmen, das LiF 0,98 Prozent. Auch die KPÖ hofft diesmal auf die vielen Stimmen, die »durch die Unglaubwürdigkeit der herrschenden Parteien« frei würden. Allerdings stehen der KPÖ Messners Angaben zufolge nur rund 100 000 Euro für den Wahlkampf zur Verfügung. »Die KPÖ hat in letzter Zeit kontinuierlich zugelegt«, sagt Filzmaier. Aber Messner müsse sich trotzdem ein wenig gedulden: »Wenn das so weitergeht, bräuchte es noch zwei bis drei Jahrzehnte, bis die KPÖ im Parlament vertreten ist.«