Die Verurteilung des ehemaligen NPD-Schatzmeisters

Schlechte deutsche Küche

Jetzt ist es amtlich: Erwin Kemna, der langjährige Schatzmeister der NPD, hat sich auf Kosten seiner Partei bereichert. Vorige Woche wurde er deswegen zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Auch für den Parteivorsitzenden Udo Voigt könnte das Urteil Konsequenzen haben.

Die guten Zeiten sind für Erwin Kemna, den Experten für Kücheneinrichtungen und kitschige Geschenkartikel aus dem münsterländischen Lad­bergen, schon lange vorbei. Die Wichmann Küchenstudio GmbH, deren Geschäftsführer er war, meldete Insolvenz an, in seiner Geschenkboutique in Lengerich steht er längst nicht mehr hinter der Ladentheke. Und dann ist da noch der Prozess wegen Veruntreuung von Geldern »seiner Partei«, der NPD. Wegen der Anzeige einer Bank, die sich über hohe Bareinzahlungen Kemnas gewundert hatte, waren im Februar dieses Jahres seine Wohnung und die Geschäftsräume seiner Firma sowie die Parteizentrale in Berlin und der Sitz des NPD-Verlags Deutsche Stimme in Riesa durchsucht wor­den. Kemna wurde festgenommen, weil nach Ansicht der Behörden Fluchtgefahr bestand. Die Führung der NPD sicherte Kemna zunächst ihre Unterstützung zu. Auch als er nach über sechs Monaten in Unter­suchungshaft zur Eröffnung des Prozesses den Gerichtssaal im Landgericht Münster betritt, ist er dort nicht allein. Peter Marx, der Ge­ne­ral­se­kre­tär der NPD, hat inmitten weiterer Parteifreunde in der ersten Reihe des Zuschauerbereichs Platz genommen. Neben ihm sitzen Claus Cremer, der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, und Ulrich Eigenfeld, Vorstandsmitglied der Bun­despartei. Die erste Sitzung des Gerichts soll indes zugleich die letzte sein. Kemna, der bis dato alles be­stritten hatte, gesteht an diesem 12. September, mit der Aussicht auf eine geringere Strafe, die ihm zur Last gelegten Vorwürfe ein und gibt damit zu, in den Jahren 2004 bis 2007 in 80 Fällen Geld der Partei veruntreut und auf die Konten sei­ner Firma geschleust zu haben. Insgesamt soll es sich um fast 750 000 Euro handeln. Die Untersuchungshaft scheint Kemna äußerst gut getan zu haben. Er lässt zu Protokoll ge­ben, er sei endlich einmal zur Ruhe gekommen, nachdem ihm seit langem die Doppelbelastung – die Leitung einer Firma und die Betätigung in der rechts­extremen Partei – über den Kopf gewach­sen sei. Er habe »seiner Partei«, wie er es mehrfach umschreibt, jederzeit mit aller Kraft gedient und sich derart mit ihr identifiziert, dass er keinen Unterschied mehr zwischen seinen privaten Geschäften und denen seiner Partei gesehen ha­be. Auch habe er sich seit jeher um die Finanzen der NPD gekümmert, so dass er es bisweilen als gerechtfertigt angesehen habe, wenn die Partei ihm einmal unter die Arme greife. Zudem habe er beabsichtigt, das Geld beizeiten wie­der zurück­zuzahlen. Mittlerweile habe er eingesehen, einen großen Fehler begangen zu haben. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt ist nicht persönlich zur Gerichtsverhandlung erschienen. Statt­dessen wird seine seitenlange Vernehmung verlesen. Voigt scheint mit seiner Aussage vor allem das Ziel zu verfolgen, seine eigene Position in der Partei nicht noch weiter zu schwächen. Zu­nächst betont er die langjährige enge Freundschaft zu Kemna, der mit der Beschaffung finanzieller Mittel erheblichen Anteil am Aufstieg der NPD seit dem Ende der neunziger Jahre gehabt ha­be. Im Laufe der Zeit habe jedoch auch er festgestellt, dass Kemna mit seinen Aufgaben »überfordert« gewesen sei, und er habe mehr Transparenz im Hinblick auf die Parteifinanzen gefordert. Voigt selbst habe freilich von den Unregelmäßigkeiten keine Kenntnis gehabt. Dies hängt wohl allerdings vor allem damit zusammen, dass Voigt seinem Schatzmeister jederzeit blind vertraut hat. So musste sich Kemna keineswegs sonderlich geschickt anstellen, um das Geld der Partei auf seine eigenen Konten zu transferieren. Daher lässt sich nach wie vor nicht gänzlich ausschließen, dass es sich bei Kemnas Unternehmen in Wahrheit um eine Scheinfirma der NPD gehandelt hat, die Spender akquirierte, welche nicht öffentlich als Unterstützer der Partei auftreten wollten. Dies hatten einige Medien vor dem Prozess vermutet. In seinen Schlussworten schließt der Richter jedoch derartige Verdachtsmomente aus und macht darauf aufmerksam, dass es bei dem Prozess allein um die persönliche Verantwortlichkeit Kemnas gehe. Sein Urteil fällt mit zwei Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe vergleichsweise milde aus. Damit scheint der Staatsanwalt zufrieden zu sein, hatte er doch zugunsten des Angeklagten geltend gemacht, dass dieser mit sei­nen Machenschaften auch das Ziel verfolgt habe, die Arbeitsplätze in seiner Firma zu retten. Kaum ist Kemna verurteilt, gibt sich Voigt in einer persönlichen Erklärung »enttäuscht und er­schüttert« und distanziert sich von seinem ehemaligen Vertrauten. Ob ihm dies allerdings zu einer weiteren Amtszeit verhilft, ist mehr als frag­­lich. Generalsekretär Marx war zwar bei der Gerichtsverhandlung noch loyal und äußerte, dass er mit einer erneuten Kandidatur Voigts rechne. Der ist jedoch in der Partei seit längerem umstritten. Vor allem Udo Pastörs, der Fraktionsvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, hatte wiederholt Voigts Rücktritt im Falle einer Verurteilung Kemnas gefordert und war von mehreren Seiten als Nachfolger ins Gespräch gebracht worden. Pastörs, der viel Respekt in der Szene ge­nießt, hat den von Voigt forcierten »Deutschlandpakt«, der die regionale Aufteilung der Republik mit der DVU regelt, mehrfach in Frage gestellt. Pastörs plädiert vielmehr für eine offenere Zusammenarbeit mit den freien Kameradschaften und militanten Neonazis. Eher unwahrscheinlich ist die Wahl des altgedienten Jürgen Rieger, wenngleich dieser bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden im vergangenen Juni mit 75 Prozent der Stimmen viel Zustimmung erfuhr. Rieger gilt als parteiinterner Intimfeind Pastörs und spricht sich besonders deutlich gegen ein bürgerliches Image der NPD im Sinne Voigts aus. Viele befürchten jedoch, dass Rieger mit seinen Aussagen die Wähler der NPD verschrecke. Dass die NPD schon derzeit freilich mit rassistischen Schlägern keine Probleme hat, beweist ein­mal mehr die Aufstellung für die Kommunalwahlen am 28. September in Brandenburg. Einer der Kandidaten wurde im Prozess um den Tod des alge­rischen Asylbewerbers Omar Ben Noui verurteilt. Noui war im Jahr 1999 in Guben durch die Scheibe in einer Tür gesprungen, als er vor rassistischen Gewalttätern flüchten wollte und hatte sich dabei so schwer verletzt, dass er wenig später verblutete.