Eskalation der Gewalt in Bolivien

Isoliert im Halbmond

Die bolivianische Opposition ist geschwächt, doch die Gewalt eskaliert.

Die Opposition Boliviens ist schwer angeschlagen. Nach dem Referendum vom 10. August, als Präsident Evo Morales mit 67 Prozent im Amt bestätigt wurde, erlitt sie einen weiteren Rückschlag. Die Teilnehmer des Treffens der Vereinigung Südamerikanischer Staaten (Unasur) unterstützten eindeutig den bolivianischen Präsidenten. Nicht nur ist die bolivianische Opposition gespalten, denn die Oligarchie des Hochlandes entfremdet sich zunehmend von der des »Halbmondes«, des östlichen Tieflandes. Nun fehlt ihr auch noch die Unterstützung südamerikanischer Regierungen, die sie sich erhofft hatte.
Vor allem mit Brasilien fühlt sich die Oligarchie der Cambas, wie sich die Bewohner des Tieflandes nennen, verbunden. Im Tiefland liegen die Öl- und Erdgasreserven, von denen die Industrie São Paulos abhängt. Überdies war der brasilianische Bundesstaat Acre bis 1903 ein Teil Boliviens. Auf beiden Seiten der Grenze dominieren Großgrundbesitzer Politik und Gesellschaft. Abgesichert über korrupte Netzwerke und Beziehungen zur Polizei und lokalen Justiz müssen sie keine Bestrafung fürchten, wenn sie Morde in Auftrag geben oder Menschen vertreiben, um sich deren Land anzueignen.
Um Land geht es auch jetzt. Die Camba-Oligarchie fühlt sich vor allem von den Plänen der Regierung für eine Agrarreform bedroht. Um ihre materiellen Interessen zu schützen, finanziert sie die »Jugendunionen«, rechtsextreme Schlägertrupps, die nun immer häufiger zu Todesschwadronen werden. Am 11. September wurden bei El Porvenir im Department Pando mindestens 16 Indigene und Gewerkschafter getötet, Berichten zufolge waren Mitglieder der dortigen »Jugendunion« die Täter.
Angesichts solcher Massaker würde wohl jede Regierung den Ausnahmezustand ausrufen, so wie es die bolivianische Regierung für Pando getan hat. Da der US-Botschafter Philipp Goldberg mit den Anführern der Opposition in regem Austausch stand, hätte wohl jede andere Regierung auch eine Ausweisung erwogen. Dass antiamerikanische Reflexe bei der Ausweisung eine Rolle spielten, mag sein. Doch jahrzehntelang haben die USA die Demokratisierung Lateinamerikas hintertrieben, und wenn ein US-Botschafter mit rassistischen Oppositionellen in eben jenem Moment verhandelt, da deren Gewalt eskaliert, liegt der Verdacht nahe, dass er tatsächlich, wie die Regierung angibt, »gegen die Demokratie konspiriert«.