Bodo Ramelow im Interview über »Die Linke«, die SPD und unmögliche Koalitionen in Thüringen

»Irgendwann wird die SPD umkippen«

In Thüringen liegen Umfragen zufolge CDU und Linkspartei bei etwa 30, die SPD bei 18 bis 20 Prozent. Die Sozialdemokraten können eigentlich nur entscheiden, ob sie der kleinere Koalitionspartner in einer von der CDU oder in einer von der »Linken« geführten Landesregierung werden wollen. Einen Ministerpräsidenten der »Linken« zu wählen, hat die SPD jedoch ausgeschlossen. Bodo Ramelow ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Partei »Die Linke« und Spitzenkandidat der Thüringer Linkspartei für die Landtagswahl im August 2009.
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Ihre Partei hat ein Problem: Sie ist zu stark. Haben Sie schon mit Ihrem Landesvorsitzenden in Thüringen geschimpft?

Wir werden einen Teufel tun und uns darüber beschweren, dass wir stark sind, sondern wir werden den Wählerinnen und Wählern sagen: Wer einen Politikwechsel will, der muss richtig rot wählen, denn wer SPD wählt, weiß nicht, was hinterher rauskommt.

Auf Ihrer Homepage prangt ganz fett: »Bodo Ramelow – Ministerpräsident für Thüringen«. Wer soll Sie denn in dieses Amt wählen?

Die Wähler, so gehört sich das …

Die Wähler wählen ja keinen Ministerpräsidenten, sondern Parteien, und die müssen dann den Ministerpräsidenten wählen. Das ist doch Ihr Problem.

So ist das politische Geschäft, und es war auch noch nie anders. Insoweit ist meine Kandidatur Ausdruck des Anspruchs, dass wir regieren wollen, regieren können und auch regieren werden.

In den vergangenen Wochen gab es einige Verwirrung. Es hieß, Sie hätten der SPD angeboten, dass sie in einer Koalition den Ministerpräsidenten stellen könnte, selbst wenn sie die kleinere Fraktion bilde. Dann jedoch seien Sie von diesem Angebot wieder zurückgetreten.

Das konnte man lesen, aber ich habe es nicht gesagt. Ich sage seit Monaten immer das gleiche. Auf die Frage, was mir persönlich wichtiger ist, das Amt des Ministerpräsidenten oder ein Politikwechsel, antworte ich, mir ist der Politikwechsel sehr viel wichtiger. Weil ich meine, diese CDU in Thüringen muss abgewählt werden, aus inhaltlichen Gründen. Wir brauchen längeres, gemeinsames Lernen, mehr direkte Demokratie, einen Masterplan für die Energiewende, die Verwaltungsreform usw. Auf die zweite Frage, die mir danach gestellt wurde, ob denn der Ministerpräsidentenposten zu verhandeln wäre, wenn beide Parteien gleich stark wären, habe ich gesagt, dass in einer Koalitionsverhandlung selbstverständlich alles verhandelbar sein muss, Hauptsache die inhaltlichen Grundpositionierungen sind deutlich.

Es wäre also prinzipiell schon denkbar, dass eine größere Linksfraktion einer kleineren SPD-Fraktion das Ministerpräsidentenamt überlässt?

Wir reden über den Fall 25,1 zu 25,0 Prozent, aber nicht über den Fall 30 zu 18 Prozent. Wenn es um 0,1 oder 0,2 Prozent Abstand zwischen den Parteien geht, ist es für mich ein Gebot der Ehrlichkeit, auch über so etwas zu verhandeln. Das muss aber letztlich meine Partei entscheiden, nicht ich. Ich wundere mich umgekehrt darüber, wie undemokratisch die SPD ist, wenn sie sagt: Egal, wie der Wähler entscheidet, Ramelow wird keinesfalls Ministerpräsident.

Sie zu wählen, hat die SPD ausgeschlossen. Damit ist die CDU-SPD-Koalition ja eigentlich schon besiegelt.

Das hängt davon ab, wie stark wir werden.

Eben, je stärker Sie werden, desto unwahrscheinlicher wird’s, dass Sie mitregieren.

Irgendwann wird es umkippen. Eine SPD wie in Sachsen, die nur noch bei neun Prozent liegt, ist wohl kaum noch in der Lage, politikfähig zu sein.

Die Blockade zwischen SPD und Linkspartei scheint in immer mehr Bundesländern dazu zu führen, dass trotz linker Mehrheit die CDU regiert …

Das ist eine Frage, die Sie bitte der SPD stellen sollten …

Die Frage ist: Wartet die »Linke« darauf, dass die SPD eines Tages nachgibt, oder werden Sie weiter auf die SPD zugehen?

Ich bin zwar religionspolitischer Sprecher und damit für Hoffnung, Wunder und Glauben zuständig. Aber wenn die SPD die Hoffnung hat, dass ein Wunder geschieht und sie uns Stimmenmäßig überholt, dann glaube ich auch daran, dass wir eine Koalition so herum machen können. Wenn man aber einen linken Politikwechsel will, muss man zur Kenntnis nehmen, dass die SPD aus zwei Parteien besteht, und die Frage ist, welche gerade die Mehrheit abbildet. Mein Eindruck ist nach Ypsilanti und Simonis, dass sich die SPD auf eine babylonische Gefangenschaft bei der Union eingelassen hat. Insofern ist sie auch keine linke Volkspartei mehr.

Wahlarithmetisch nutzt es der Linkspartei ja nichts, wenn die SPD, also der einzige potenzielle Koalitionspartner, in die Bedeutungslosigkeit abgleitet.

Ich denke nicht, dass es nur um die Frage des Regierens geht. Wenn es das wäre, hätten wir diese Parteibildung nicht machen müssen, dann hätten wir schön als PDS im Osten weitermachen können und hätten uns selbst genügt. Wir wollen aber, dass sich die Mitte dieser Gesellschaft wieder nach links verschiebt. Und das geht nur, wenn es am Ende bei Themen wie Militäreinsätze, Rente mit 67, Arbeitslosigkeit, Leiharbeit in Deutschland wieder linke Mehrheiten gibt. Und da sehe ich einige Schnittmengen zwischen SPD, Grünen und uns. Die Frage ist nur, welche Teile der Parteien sich durchsetzen. Am Beispiel Hessen hat man es gesehen. Die Abschaffung der Studien­gebühren war ein wichtiges Einstiegsportal für eine andere Politik. Das haben wir mit auf den Weg gebracht. Alle hoffnungsvollen Ansätze sind dann aber am Antikommunismus von Frau Metzger und Frau Everts hängen geblieben. Es ist doch kein Zufall, dass Frau Everts bei Eckhard Jesse promoviert hat. Die ganzen Jesse-Jünger erlebe ich ständig überall im Osten, wo sie mal als CDUler, mal als SPDler daherkommen.

Mit der SPD und Ihnen geht es gerade nicht vorwärts. Gibt es in der Linkspartei, ähnlich wie in anderen Parteien auch, Überlegungen zu alternativen Koalitionsmöglichkeiten?

Jede Partei muss in der Lage sein, mit anderen Parteien zu koalieren. Das ist ja das Unpolitische an der SPD, dass sie einfach eine Partei ausschließt. Aber ich habe Holger Börner damals live und in Farbe erlebt, als er gesagt hat, dass er das mit den Grünen früher auf der Baustelle mit der Dachlatte erledigt hätte. Und zum Schluss gab es die erste rot-grüne Landesregierung überhaupt. Drum habe ich immer die Hoffnung, dass sich, wenn wir genug Potenzial, genügend Power entwickeln, die SPD irgendwann entscheiden wird.

Ihre ganzen Hoffnungen hängen also an der SPD …

Nein, überhaupt nicht. Die einzige Hoffnung, die ich habe, bezieht sich auf unsere Wähler. Wir sind vor drei Jahren gestartet als eine kleine Regionalpartei aus dem Westen und eine regionale Volkspartei aus dem Osten und sind heute drittstärkste Kraft in Deutschland. Also muss ich nicht zwanghaft auf die SPD starren. Ich sehe, dass sich die Verhältnisse in Deutschland verändern können. Es gibt nicht mehr automatisch das Drei- oder Vier-Parteiensystem, vielleicht gibt es auch noch mal eine Minderheitsregierung. Das biete ich der SPD in Thüringen ja auch an: Sie kann uns tolerieren.

In Ihr »Kompetenzteam« für den Wahlkampf haben Sie auch einen ehemaligen CDU-Politiker geholt …

Einen, der so geradlinig ist, dass er den Verrat an einer kommunalen Wohnungsgesellschaft nicht mitgemacht hat, der ganz klar sagt, dass er einen Politikwechsel in Thüringen will. Das war ein Signal auch an die Wählerschichten der CDU. Ich bin ein Langläufer, meine Hoffnungen beziehen sich ja nicht nur auf die nächste Wahl. Schon jetzt könnte in drei Bundesländern eine rot-rote Landes­regierung gebildet werden, schon heute Abend. Die SPD muss sich klar machen, dass sie eine Mehrheit im Bundesrat nur mit uns bekommen wird.

Geben Sie doch mal einen Tipp ab: Um wie viel Prozent muss die SPD hinter der Linkspartei liegen, damit sie umkippt?

Das muss die SPD alleine entscheiden, ich gebe da keine Prognosen ab. Ich kann nur sagen, für was ich kämpfe: für einen Politikwechsel, für 30 plus XXL Prozent der Stimmen und dafür, dass wir stärkste Fraktion im Thüringer Landtag werden. Auch das wird ein Gewicht in Deutschland sein, wenn zum ersten Mal eine Fraktion der »Linken« die stärkste Fraktion sein wird. Als kürzlich eine von der CDU in Auftrag gegebene Umfrage bekannt wurde, nach der CDU und »Linke« in Thüringen gleichauf liegen, hat das ein Erdbeben in der Staatskanzlei ausgelöst.

Aber es macht Ihnen schon auch Spaß, die SPD in der Zwickmühle zu halten.

Nein, es ist für mich kein Spaß. Ich habe nur einfach keine Lust, mich ständig dafür zu rechtfertigen, weshalb der SPD-Vorsitzende Christoph Matschie mich nicht wählen will. Das muss man ihn fragen. Ich kann ja nicht zu meinen Wählern sagen: Wählt mich nicht, weil es nur dann den Politikwechsel gibt. Denn wenn man die SPD wählt, weiß man ja nicht, was man bekommt. Ministerpräsident Dieter Althaus hat analysiert, wie viele Walters und Metzgers es in der Thüringer SPD gibt. Er denkt, 30 Prozent der Landtags-SPD würden schon jetzt mit der CDU zusammenarbeiten wollen. Das sehe ich genauso. Das stimmt. Vielleicht entscheidet sich die SPD ja, diesen schwarzen Filz von Dieter Althaus weiterführen zu wollen als Juniorpartner in einer CDU-Koalition.

Welche Rolle wird das Ergebnis in Thüringen für die Bundestagswahl 2009 spielen?

Eine große. Wenn wir stärkste Fraktion werden und wenn irgendwann fünf oder sechs Landes­regierungen mit uns gebildet werden könnten, dann wird es irgendwann auch in der SPD eine Eruption geben. Sie könnte sich auch spalten.