Die italienische Rifondazione steht vor der Spaltung

Auf Linie gebracht

Die italienische Partei Rifondazione Comunista steht vor der Spaltung. Die neue Parteiführung will an die »kommunistische Identität« anknüpfen und hat mit der Kurskorrektur bereits angefangen: Die von der Partei herausgegebene Tageszeitung soll wieder zum linientreuen Parteiorgan werden.

Nichts vereint die italienischen Kommunisten mehr als der Kampf für ein »freies Palästina«. Am Sonnabend demonstrierten die Genossen gemeinsam gegen das »Massaker« in Gaza, obwohl nur fünf Tage zuvor die Spaltung des Partito della Rifondazione Comunista (PRC) angekündigt worden war. Mit der Abberufung des Chefredakteurs der parteieigenen Tageszeitung Liberazione haben die internen Querelen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Zerstritten ist die Partei schon lange. Nach dem Wahldebakel im April vergangenen Jahres, als der PRC im Bündnis mit den anderen, kleineren Parteien der radikalen Linken den Einzug ins Parlament verpasste, war das von Fausto Bertinotti, dem langjährigen Vorsitzenden, vorgegebene Programm in die Kritik geraten. Er wollte eine einheitliche und gleichzeitig plurale, für die verschiedenen sozialen Bewegungen offene »Regenbogenlinke« schaffen. Auf einem im Juli abgehaltenen außerordentlichen Parteitag verloren seine Anhänger nach heftigen Auseinandersetzungen ihre Hegemonie. Statt Nichi Vendola, Bertinottis Ziehsohn, wurde Paolo Ferrero mit knapper Mehrheit zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er steht für die Besinnung auf Tradition: Die Partei soll ihre »kommunistische Identität« neu begründen, sich vorrangig der wesentlichen Themen der Arbeiterbewegung annehmen. Vendolas Anhänger sind dagegen weiterhin von der Notwendigkeit einer Neugründung der Linken überzeugt. Die Partei müsse sich »öffnen« und ihren Horizont »erweitern«. Die Rifondazione dürfe sich nicht gegen die kommunistische Tradition wenden, müsse aber doch über sie hinausgehen.

Seit den Sommermonaten stritten die beiden Flügel vor allem um das Parteiorgan Liberazione. Bertinotti hatte einst den parteilosen Piero Sansonetti zum Chefredakteur gemacht, die Tageszeitung stand unter seiner Führung für die Öffnung gegenüber einer pluralistischen Linken. Dies spiegelte sich im Erscheinungsbild der Zeitung wider. Es gab viele externe, in den sozialen Bewegungen aktive Kommentatoren und für die kommunistische Tradition ungewohnte Themenschwerpunkte. Die bunte, comicartige Wochenendbeilage Queer war sicherlich die auffälligste Neuheit der letzten Jahre. Mit einer »Queer Funeral Party« in Rom gedachte die Redaktion am Samstag des »Selbstmords« der Beilage, die sich zum Sprachrohr vieler feministischer und schwul-lesbischer Gruppierungen gemacht hatte. Höhepunkt dieser kulturpolitischen Offensive war 2006 die Wahl Vladimir Luxurias zur ersten transsexuellen Abgeordneten Italiens. Umgekehrt stand Luxuria im Mittelpunkt des letzten großen Konflikts um die Richtung der Zeitung, als die Redaktion die Teilnahme der Abgeordneten an einer italienischen Version des Reality-Trashs »Dschungelcamp« unterstützte und diese sogar als politisch wichtigen Versuch der Wiederannäherung an verlorengegangene Wähler propagierte. Für die neue Parteiführung eine Provokation, die die Konfrontation unvermeidlich machte. Sansonetti verteidigte die Autonomie seiner Redaktion und verwies darauf, die Zeitung seit jeher unabhängig von der herrschenden Parteilinie geführt zu haben.
Ferrero verwahrte sich in seinem Antrag zur Absetzung Sansonettis gegen den Vorwurf, die Libe­razione der Parteidisziplin unterstellen zu wollen. In erster Linie zwinge die katastrophale ökonomische Lage, der drastische Rückgang der Verkaufszahlen (zuletzt kaum 7 000 Exemplare pro Tag), zu diesem Schritt, andernfalls werde der Bankrott der Zeitung auch die Partei in den finanziellen Ruin führen. Sansonettis Projekt sei gescheitert, die sinkenden Auflagenzahlen stünden auch für die wachsende Kluft zwischen der Zeitung und den Parteimitgliedern. In diesem Zusam­menhang sei nicht zu bestreiten, dass Sansonetti gegen das gemeinsame Projekt Rifondazione gearbeitet habe.
Die Vertreter des starken Minderheitenflügels warfen Ferrero daraufhin »stalinistische Methoden« vor und zogen sich aus allen Parteigremien zurück. Die Spaltung, die sich nach dem Parteitag bereits abzeichnete, scheint nun unvermeidlich und wird wohl auf einer Klausurtagung der Minderheitenfraktion Ende des Monats endgültig beschlossen.

So ungewiss wie die Zukunft der Partei ist auch die Zukunft der Zeitung. Die letzte von Sansonetti zu verantwortende Ausgabe erschien als monographische Nummer, in der sieben Titelseiten der vergangenen Monate erneut veröffentlicht wurden und gleichzeitig wichtige Autoren und Autorinnen ihren Abschied ankündigten. Dem inszenierten Abgang fehlte es nicht an Dramatik.
Inzwischen wurde Dino Greco, ein Gewerkschaftsfunktionär, der bisher die Arbeiterkammer in Brescia leitete und über keinerlei journalistische Erfahrung verfügt, zum neuen Chefredakteur ernannt. Die Redaktion reagierte auf die Einsetzung des »Politkommissars« mit einem dreitägigen Streik. Weitere Proteste sind bereits geplant, sollte die Parteiführung die Tageszeitung wie angekündigt an Luca Bonaccorsi verkaufen. Dieser gilt als Anhänger des römischen Psychiaters Massimo Fagioli, der mit anti-freudianischen, kollektiven Therapiesitzungen bekannt geworden, zuletzt aber durch explizit homophobe Äußerungen und vulgäre Attacken gegen den offen schwul auftretenden Vendola aufgefallen ist. Dass die Liberazione wegen ihrer Sympathie für die Transgender-Bewegung den Bruch mit den Altkommunisten provozierte und nun von Hammer-und-Sichel-Nostalgikern an den Jünger eines homophoben Gurus verkauft werden soll, erscheint absurd. Noch absurder wird die Angelegenheit dadurch, dass Bertinotti selbst ein Freund und Fürsprecher Fagiolis ist und die Liberazione die heterosexistischen Thesen des Psychiaters deshalb bisher nie angegriffen hat.
Im Gegensatz zu dieser internen Situation, erscheint die weltpolitische Lage derzeit banal. So verwirrend der Konflikt innerhalb der Partei, so klar und eindeutig ist für die Kommunisten der Frontverlauf in Gaza. Wut und Ranküne aus der parteipolitischen Auseinandersetzung können in der Kriegsberichterstattung abreagiert werden. Claudio Grassi, dem Sprecher der Plattform »Essere Comunisti«, kam zuletzt der Gedanke, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, Juden vor der Vernichtung zu retten: »Wer weiß, ob Oskar Schindler den modernen Juden, die im Namen ihrer Freiheit ein Volk massakrieren, nicht ein paar Wörtchen zu sagen hätte.« Immerhin wurde in einer der letzten Ausgaben unter der alten Chefredaktion dieser »abartigen Logik« widersprochen und klargestellt, dass die Gleichsetzung von Juden und Israelis und die obsessive Täter-Opfer-Umkehrung zum antisemitischen Repertoire gehören. Dass es diese Art Widerspruch und die Öffnung für eine Reflexion des Antisemitismus der italienischen Linken in der neuen Liberazione noch geben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Grassi gehörte zu den maßgeblichen Befürwortern der Abberufung Sansonettis.