Ein Gespräch über die Libertarian Party, das Big Governement und den »Wandel« in den USA

Doug Stanhope, Komiker »Es wird eine lustige Fahrt«

Der US-amerikanische Komiker Doug Stanhope ist bekannt für seinen derben Humor. Neben diversen Comedy-Shows im amerikanischen Fernsehen kennt man ihn vor allem wegen seiner Bühnenauftritte, die er meistens betrunken absolviert. Lange war er Anhänger der Libertarian Party (LP), für die er sogar kandidieren wollte. Kurz vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr wandte er sich aber wegen rechter Mitglieder von der Partei ab und ernannte sich zum »head of the one-man Libertarians for Obama group«. Seinen spektakulärsten Auftritt während des Wahlkampfs hatte er mit der Webseite www.savingbristol.com. Dort ini­tiierte er eine Spendenkampagne, mit der Bristol Palin, der Tochter der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin und Abtreibungsgegnerin Sarah Palin, eine Abtreibung finanziert werden sollte.

Was hat Sie dazu gebracht, sich der Libertarian Party anzuschließen?
Ich kannte lange überhaupt keinen Libertarian außer einem Bagelverkäufer. Ich habe einfach nur meine Shows aufgeführt, meine Meinung ausgespuckt, und es kamen immer wieder Libertarians auf mich zu, die mir sagten, dass ich einer von ihnen sei. Was ich an denen sympathisch fand, war die Einstellung: Die Regierung soll aus meinem Leben verschwinden, ich will alleine leben oder sterben.
Mit der Wirtschaftskrise und dem Präsidenten Barack Obama wird das Big Government zurückkehren. Wie werden Sie versuchen, die Regierung aus Ihrem Leben zu halten?
Zurückkehren? War das Big Government jemals weg? Das muss ich verschlafen haben. Gegen das Big Government werde ich genauso vorgehen wie gegen die hohen Preise im Wal-Mart. Ich beklaue beide. Regulierung und Regeln sind nur was für solche Menschen, die den gesellschaftlichen Wandel verlangsamen und verzögern wollen.
Wie langsam wird der von Obama versprochene Wandel sein? Ich hoffe, sehr langsam, und zwar aus ganz persönlichen Gründen. Aus der Perspektive meines Jobs ist Obama nur das kleinere Übel. Und zwar aus folgenden Gründen: Kürzlich bekam ich eine Ladung Baumaterial in mein Haus geliefert, mit der ich ein Bauprojekt beginnen wollte. Der Lieferant sagte mir, dass es gut sei, dass ich mein Geld jetzt noch schnell ausgebe, bevor Obama es mir durch Steuern aus der Tasche ziehen würde. Ich sagte dem Lieferanten, dass er nur begrenzt Recht habe. Denn nur weil Obama Abtreibungsgegner ist, hätte ich überhaupt das nötige Kleingeld, um das Baumaterial zu kaufen und ihm als Lieferanten damit seinen Job zu sichern. Wenn Obama dafür sorgt, dass die Abtreibungsgesetze geschützt werden, hätten ich und der Baumateriallieferant ausgesorgt. Ich bin absoluter Abtreibungsbefürworter und deswegen kommen die Leute zu meinen Shows und zahlen Eintritt. Es würden weniger kommen und zahlen, wenn Abtreibungen plötzlich legal wären, denn dann hätte ich weniger zu sagen.
Auf Ihrer Myspace-Seite stellen Sie sich mit den Worten vor: »Ich bin ein Komiker, ein Trinker und habe ein Herz für Verlierer.« Mochten Sie die Libertarian Party, weil sie eine ewige Verliererin ist?
Der Underdogstatus dieser Partei hat sicherlich seinen Reiz. Aber bei den Parteiversammlungen hatte ich nicht den Eindruck, dass die Sorte von Verlierern, die ich mag, einen sonderlich großen Anteil unter den Mitgliedern ausmachte. Das Kontingent der Unabomber, der Angry Old Men mit T-Shirts und Aufklebern, die für Waffen werben, war erheblich größer, diese Leute bildeten die Mehrheit. Und das ist eine Sorte von Verlierern, mit denen man kein Verhältnis eingehen kann, das ist einfach eine andere Spezies von Verlierern.
War diese Spezies der Grund dafür, dass Sie dann kurz vor der Wahl die »Libertarians for Obama« gegründet haben?
Gegründet? Ich habe diesen Namen lediglich im Internet verbreitet. Ausschlaggebend für meine kurzzeitige Hinwendung zu Obama war die Nominierung des ehemaligen Kongressabgeordneten Bob Barr zum Präsidentschaftskandidaten der LP. Dieser Typ nutzte die Parteinominierung nur dazu, um seine Vergangenheit als Antidrogenkrieger, als Gegner von Abtreibung und Homo-Ehe zu vertuschen. Dass die LP da mitgespielt hat, war zu viel für mich.
Hätte die LP diese Entwicklung nicht gemacht, wenn Frank Zappa 1988 die Wahl zum Präsidentschaftskandidaten der Partei gewonnen hätte?
Im Rückblick zweifellos ja. Aber Politik war das Letzte, über das ich mir 1988 Gedanken machte.
Wer wäre denn ein geeigneter Präsidentschafts­kandidat bei der nächsten Wahl?
Wer weiß schon, wie in vier oder acht Jahren das Klima beschaffen sein wird. Derzeit liegt überall Optimismus in der Luft. Aber wir sollten abwarten, wie fett wir bis dahin geworden sind, um zu entscheiden, welche Sachen wir dann anziehen werden.
Werden Sie bis dahin von Ihrem Motto »Von den Reichen klauen und es den Dummen ­geben« Gebrauch machen?
Ich werde es versuchen. So zu handeln, ist eine Form von Anarchie, die auf einer persönlichen Ebene in Richtung Kommunismus neigt, jedenfalls in den sozialen Kreisen, in denen ich mich aufhalte, wo die miesesten Leute die meisten Biere ausgeben. Es ist natürlich nicht wünschenswert, dass diese Form des Kommunismus durch Gewalt­anwendung erzwungen werden muss. Eigentlich sollte es doch zu anständigen Manieren unter Freunden gehören, alles dafür zu tun, dass der Dumme nicht zahlt.
Sie sind also so was wie ein Anarcho-Kapitalist?
Nein, da ich gar nicht weiß, was das sein soll. Das klingt eher nach Windbeutel.
Wenn Sie diese Woche ins Präsidentenamt eingeführt worden wären, welche Rede hätten Sie gehalten?
Eine im Sinne von Charles Bukowski. Ich würde mich die ganze Zeit fragen, wie ich jemals so tief fallen konnte. Denn wenn Obama oder irgendein anderer Präsident es jemals schaffen sollte, unter die Top 20 der Sachen zu geraten, über die ich mir in meinem privaten Leben ernsthaft Sorgen machen muss, dann ist es entweder Zeit für eine bewaffnete Revolution oder ich habe wirklich meine eigenen Probleme gelöst.
Welche Vorteile hat Ihre Show im Vergleich zu der von Obama?
Mein Publikum besteht zu 95 Prozent aus Weißen, Betrunkenen und Nichtwählern, und ich habe mein Showprogramm wesentlich öfter gewechselt als Obama. Nicht, dass ich Klassiker nicht schätzen würde, aber der Präsident braucht dringend neues Material.
Hätte John McCain einen unterhaltsameren Präsidenten als Obama abgegeben?
Vielleicht, aber es wäre einfache Comedy gewesen. Und einfache Comedy kann jeder. Das ist für das Geschäft, in dem ich tätig bin, schädlich. John McCain und Sarah Palin waren auf dieselbe Art unterhaltsam wie eine miese Reality-Show, die man sich nur anguckt, um dabei zuzuschauen, wie ein Arschloch rausgewählt wird.
Obama wird uns wohl nicht allzu viel Stoff für Witze liefern, aber als Rockstar ist er saucool. Seine Aufgabe ist im Prinzip schon erledigt, da er das Gesicht sein wird, das die Menschen weltweit in den nächsten vier Jahren mit den USA verbinden werden. Auf seine Politik hingegen kann man getrost verzichten.
Unter Obama wird sich auch für einen Atheisten, Alkoholiker und Verlierer verehrenden Komiker nichts ändern?
Ich werde weiter versuchen, meine eigene Agenda durchzudrücken, und darauf hoffen, dass die Leute, die mir zuhören, auch meinen Kampf für die beschleunigte Entwicklung des intellektuellen Prozesses unterstützen. Vielleicht werde ich aber auch einfach nur ein großer fetter Aufschneider sein, der die ganze Zeit sinnlos rumschreit und alleine stirbt. Egal wie, es wird eine lustige Fahrt.