Was Banker wirklich wollen

Die Stimmung ist gereizt, alle Nerven sind angespannt, mit höchster Konzentration werden die Zahlenkolonnen auf den Bildschirmen betrachtet. In Sekundenbruchteilen fallen wichtige Entscheidungen über das Schicksal von Firmen, Staaten und Kontinenten, wenn Milliarden von Dollar mit Lichtgeschwindigkeit rund um den Globus gejagt werden. Nur die schnellsten, klügsten und härtesten Männer können in dieser unbarmherzigen Welt bestehen.
Das, so will man uns glauben machen, ist der Alltag an den Börsen und in den Investmentabteilungen der Banken. Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus, und wie so oft kommt sie ganz nebenbei heraus. Ein australisches Fernsehteam war in der vergangenen Woche zu Gast bei der Macquarie Bank in Sydney. Dort plapperte ein Banker über Kurse und Investitionen, und weil dieses Geschwätz nicht einmal die Geschäftswelt wirklich interessierte, fiel sofort auf, dass bei David Kiely, der im Hintergrund saß, auf einem der Bildschirme ein Bild des Models Miranda Kerr zu sehen war. Kiely behauptete später, es habe sich um den Anhang einer E-Mail gehandelt, die Kollegen geschickt hätten, um ihm einen Streich zu spielen. Wenn der Mann mit dem gleichen Geschick investieren würde, wie er Ausreden erfindet, hätte er seinen Job schon längst verloren. Seine Vorgesetzten hatten nun wohl auch vor, ihn zu entlassen, doch solidarisierte sich Kerr umgehend mit ihrem Fan. Das war wirklich nett von ihr, denn sie hat schlechte Erfahrungen mit Bankern gemacht. Ihr ehemaliger Freund Adrian Camilleri war ein Broker, der wegen diverser Betrügereien verurteilt wurde und nicht darauf verzichtet hatte, ihr Anlagetipps zu seinen Gunsten zu geben. Doch als praktizierende Buddhistin verzieh sie ihm, und als praktizierende Geschäftsfrau erkannte sie wohl auch schnell, dass
Kiely ihr neue Aufträge verschaffen würde. Kielys britische Kollegen organisierten dann die Internetkampagne »Save Dave«, die Führung übernahm Here Is The City, nach eigenen Angaben »London’s fastest growing financial website«. Kiely »scheint ein netter Kerl zu sein«, glauben die Kollegen, eine Einschätzung, die allein auf einer gemeinsamen Vorliebe für bestimmte E-Mail-Anhänge zu beruhen scheint. Die Bilder seien »nicht hardcore« gewesen, stellt der Kennerblick des Bankers fest. Es gebe ohnehin »zuviel politische Korrektheit«, und überhaupt, »er hat genug gelitten«. Nun kommt alles zu einem guten Ende. Die Macquarie Bank gab bekannt, dass Kiely seinen Job behält, Kerr steigt zum supermodel auf, und wir haben wieder etwas gelernt. Es ist nämlich gar nicht nötig, Milliardenbeträge zu vergeuden. Wenn notleidende Banker wieder einmal jammern, wissen wir, was sie wirklich wollen, und schnüren ein paar Playboy-Ausgaben zu einem Rettungspaket zusammen.