Zur Nahost-Poltik Obamas

Weder Wandel noch Stabilität

Die Nahost-Politik von US-Präsident Barack Obama gilt als realisitisch, ignoriert aber die Realitäten in der Region.

Als Barack Obama nach seinem Wahlsieg gefeiert wurde, begeisterten sich Nahost-Experten auch für die erwartete Änderung der US-Außenpolitik. Die Zeit unilateraler Demokratisierungsexperimente sei vorüber, vom Beginn eines »hoffnungsvollen Realismus« schrieb etwa die Süddeutsche Zeitung. »Realismus« nun ist in der amerikanischen Politik ein Konzept, hinter dem sich die Ansicht verbirgt, dass die Welt kein schöner Ort sei und die USA deshalb Seite and Seite mit allerlei Diktaturen leben müssten. Wichtig sei es, diese mit kluger Diplomatie einzubinden.
Für den Nahen Osten hieß dies vor allem, Verkehrswege für das Öl freizuhalten und ausufernde Kriege möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck stützten sich alle US-Regierungen auf vier Staaten: Saudi-Arabien, Israel, Ägypten und die Türkei. Dass diese Politik in den neunziger Jahren immer weniger funktionierte, war einer der Gründe für den, wenn auch halbherzigen, Wandel unter George W. Bush. Mit einem auf Demokratisierung abzielenden Interventionismus wollte seine Regierung die »realistische« Außenpolitik ersetzen.
Doch Obama fand einen Nahen Osten vor, der sich grundlegend gewandelt hatte. Ein Status quo ante konnte nicht mehr hergestellt werden. Nun ist es seiner Regierung offenbar geglückt, sich von beiden Konzepten amerikanischer Nahost-Politik zu verabschieden. Denn die Säulen der »realistischen« Außenpolitik brechen gerade in sich zusammen. Die Türkei kann kaum noch als enger Verbündeter gelten, in Israel betrachtet man Obama fast schon als Feind, und nun kühlt sich auch das Verhältnis zu Saudi-Arabien merklich ab. Dort, ebenso wie in Ägypten und Jordanien, glaubt man nicht, dass die USA den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten werden. Einem Bericht der Times zufolge öffnen die Saudis sogar ihren Luftraum für israelische Militärflugzeuge.
Derartige kurzfristige Allianzen sind in der Region nichts Ungewöhnliches. Den arabischen Regimes, die sich in maroder Verfassung befinden, geht es in erster Linie ums Überleben. Obwohl alle nach Hegemonie in der Region streben, kann niemand sie erlangen. Deshalb wurde, auch wenn man öffentlich das Gegenteil beteuerte, die Hegemonie der USA akzeptiert. Seit die US-Regierung Schwäche zeigt, befinden sich die alten Allianzen in der Region in Auflösung.
Obama hat weder auf Stabilisierung noch auf Demokratisierung, sondern auf wohlklingende Worte und nette diplomatische Gesten vertraut. Doch die Annäherung an Syrien oder die Gesprächsangebote an den Iran und an islamistische Organisationen haben zu nichts geführt. Entfremdet hat man sich aber auch all jene, die für Demokratisierung kämpfen. Es hagelt Kritik von irakischen, libanesischen und ägyptischen Aktivisten, die sich damit nur den Beschwerden iranischer Oppositioneller anschließen.
Die »realistische« Nahost-Politik der USA hat, das haben die Neocons zu Recht kritisiert, maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Region sich in einem so beklagenswerten Zustand befindet. Sollte die US-Regierung allerdings weitermachen wie bisher, wird man vielleicht bald vom goldenen Zeitalter des Realismus sprechen, wenn auch dank einer planlosen US-Außenpolitik die Konflikte wieder eskalieren.