Völkermordvorwürfe gegen Ruandas Präsidenten Paul Kagame

Wissen, was zu tun ist

Ein Bericht der Uno beschuldigt den ruandischen Präsidenten Paul Kagame des Völkermords. Diese Bewertung ist umstritten.

Der Bericht des UN-Hochkomissariats für Menschenrechte ist noch nicht veröffentlicht worden, sorgt aber schon für Aufsehen. Die Autoren erheben schwere Vorwürfe gegen den ruandischen Präsidenten Paul Kagame und dessen Truppen, wie aus einem Artikel der Zeitung Le Monde hervorgeht, der Auszüge aus dem Bericht zugespielt wurden. Nach der militärischen Beendigung des Genozids in Ruanda, dem 1994 Tutsi und gemäßigte Hutu zum Opfer fielen, habe die ruandische Armee in den Jahren 1996 bis 1998 im Kongo gezielt Zivilisten massakriert. Die Massenmorde werden als »Akte des Völkermords« (genocidal acts) eingestuft. Die ruandische Regierung fordert, sämtliche Passagen zu streichen, in denen der Vorwurf des Genozids erhoben wird.
Dass die ruandische Armee und ihre Verbündeten Massaker an Hutu-Zivilisten verübten, gilt als gesichert. Angesichts der Bemühungen, die im Kongo verbliebenen Hutu zu repatriieren, erscheint der Vorwurf des Genozids nicht zutreffend. Denn die UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord verweist bei der Definition auf die nachzuweisende Absicht, eine Bevölkerungsgruppe auszulöschen.
Sollten die entsprechenden Passagen geändert werden, hätte die Uno einmal mehr bewiesen, dass die Einstufung von Massenmorden politisch ausgehandelt wird. Zuletzt diskreditierte sich die Uno mit der Feststellung, in Darfur könne man nicht von einem Genozid sprechen. Dies war das Resultat diplomatischer Bemühungen des sudanesischen Regimes sowie vieler afrikanischer Staaten und Chinas. Ruanda kann möglicherweise auf die Hilfe westlicher Staaten zählen, die Kagame als unverzichtbaren Garanten für die Stabilität des Landes betrachten. Denn sollten die Passagen beibehalten werden, müsste gegen Kagame und andere Verantwortliche ermittelt werden. Ein internationaler Strafbefehl gegen den ruandischen Präsidenten wäre die einzig logische Konsequenz.
Einem Präsidenten Völkermord vorzuwerfen, sichert einem die Aufmerksamkeit der Medien. Die Konvention hat jedoch seit ihrer Verabschiedung im Jahr 1948 dem genannten Ziel, Völkermord zu verhindern, nicht gedient. Sie verpflichtet die »internationale Gemeinschaft« zum Handeln, lässt aber offen, was zu tun sei. Ohnehin lassen sich Vernichtungsabsichten, wenn überhaupt, meist erst nachweisen, wenn es zu spät ist.
Eine Überarbeitung der Konvention würde es theoretisch ermöglichen, bei drohenden Massenmorden zu intervenieren. Es gelingt jedoch nicht einmal, das im Ostkongo seit anderthalb Jahrzehnten andauernde Morden zu beenden. Die Menschenrechtsverletzungen und die sexualisierte Gewalt, die von Amnesty International als »Krieg gegen Frauen« bezeichnet werden, machen eine Intervention unerlässlich. Doch die UN-Truppe im Kongo kann die Zivilbevölkerung nicht schützen, obwohl seit Juli betont wird, dies sei das vorrangige Ziel der Intervention.
Die Bestrafung der Gewalttäter, die oft aus den gleichen Gemeinden wie die Opfer stammen, und der Drahtzieher wäre ein Anfang, um den Krieg gegen Frauen zu beenden. Sich auf den Vorwurf des Völkermords zu stützen, ist dabei nicht zwingend notwendig. Das internationale Recht bietet die Möglichkeit, wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu ermitteln. Falls aber nicht konsequent gegen alle mutmaßlichen Verantwortlichen für die andauernden Kriegsverbrechen im Kongo vorgegangen wird, selbst wenn sie der kongolesischen Armee angehören, wäre eine Verfolgung allein Kagames nicht verhältnismäßig. Zu groß ist die Gefahr, dass dies erneut Massaker in Ruanda auslösen könnte.