Hat die Fans von Cosmos New York besucht

Man lebt nur zweimal

In zwei Jahren könnte der legendäre US-Fußball-Club Cosmos New York wieder in der Profiliga spielen. Ein Besuch bei den Fans des Vereins.

Surprise! Der legendäre Soccer-Club New York Cosmos ist plötzlich wieder da. Der Einstieg in die amerikanische Profiliga kann zwar erst 2013 erfolgen – einen liebenswert-schrulligen Fanclub gibt es aber jetzt schon. Als der große Pelé seinen ersten richtig wichtigen Auftritt vor New Yorks Journalisten hatte, kam er satte zwei Stunden zu spät. Am 10. Juni 1975 warteten bei einer Pressekonferenz im 21 Club mehr als 400 Medienvertreter auf den brasilianischen Superstar. Der betrat schließlich lächelnd den Raum und stellte sich offiziell als Neuzugang der Fußballmannschaft New York Cosmos vor. Der beste Spieler aller Zeiten sollte bis 1977 in der North American Soccer League auf Torejagd gehen. Das war eine Sensation – auch, wenn der damals 34jährige dreimalige Weltmeister seinen sportlichen Zenit überschritten hatte.
35 Jahre später hat Pelé erneut eine Ankündigung in New York zu machen, und diesmal ist er pünktlich. Beim Hobbykicker-Turnier Copa NYC verkündet er am 1. August in der Halbzeit des Finales, dass der 1985 aufgelöste Club New York Cosmos wieder existiere und er selbst als Ehrenpräsident dessen Entwicklung mitgestalten werde. »Es ist ein großes Privileg, dass ich dem Sport, der so viel für mich getan hat, etwas zurückgeben kann«, sagt Pelé mit reichlich Pathos.
Möglich wird das Comeback durch eine Investorengruppe, die sich vor kurzen die Namensrechte sicherte. Ihr Vorsitzender ist Paul Kemsley, ein Bauunternehmer aus England, der auch mal im Vorstand des Premier-League-Clubs Tottenham Hotspur saß. Kemsley will mit der Neuauflage des Clubs New York Cosmos an dessen frühere Popularität anknüpfen.
Seine Hochphase erlebt der 1971 gegründete Club in den Jahren nach der Verpflichtung Pelés. Zwar kann die Mannschaft im ersten Jahr, in dem Pelé dabei ist, nicht die Play-offs erreichen, aber Soccer gewinnt mehr und mehr an Popularität. Weitere Stars werden verpflichtet: Es kommen unter anderem der Deutsche Franz Beckenbauer, der Brasilianer Carlos Alberto und der Italiener Giorgio Chinaglia in die US-Metropole.
1977 holt die Mannschaft den Titel. Die New Yorker sind begeistert, fortan läuft das Maskottchen Bugs Bunny nach jedem Tor eine Ehrenrunde. Das überwiegend sympathische Team präsentiert sich fanfreundlich, lässt im Club 54 die Puppen tanzen und besitzt Popstar-Appeal. »Bei uns war für jeden was dabei«, sagt der Torwart Shep Messing in dem Buch »Once in a lifetime« von Gavin Newsham. »Wir waren international, wir waren europäisch, wir waren cool, wir waren Amerikaner aus der Bronx.« 1978, 1980 und 1982 holen die Fußballer den Titel. Außerdem sorgt der Chef des Vereins, Steve Ross, dafür, dass zahlreiche Berühmtheiten auf der Tribüne und in der Umkleidekabine auftauchen. Ständig wuseln Prominente wie Mick Jagger, Barbra Streisand, Muhammad Ali und Henry Kissinger zwischen den halbnackten Spielern herum. Cosmos gehörte dem Unternehmen Warner Communications. Dessen Vorsitzender war ebenfalls Steve Ross – und der nutzte seine Kontakte gekonnt, um Sport- und Entertainment-Welt miteinander zu verknüpfen.
Dagegen klingen die Pläne der neuen Besitzer fast langweilig bodenständig. Großen Wert will man auf die Ausbildung und Förderung von Talenten legen. In New York und Los Angeles wurden bereits Stützpunkte eröffnet, in denen 2 000 Kids und Teens zwischen acht und 18 Jahren trainieren. Wenn alles nach Plan läuft, spielen einige von ihnen irgendwann für Cosmos in der Major League Soccer (MLS): »Die Teilnahme am Profibetrieb ist unser großes Ziel«, sagt Cosmos-Geschäftsführer Joe Fraga im Interview mit der New York Times und rennt bei der MLS offene Türen ein. Durch ein Stadt-Derby zwischen Cosmos und Red Bull New York erhofft sich die Liga einen Schub für den Soccer – in New York und im Rest des Landes, in dem Fußball mit gewaltigem Abstand den großen vier Sportarten Basketball, Football, Eishockey und Baseball folgt.
Ein bisschen werden sich die Verantwortlichen noch gedulden müssen. Zwar sind die erforderlichen 40 Millionen Dollar Eintrittsgeld für die MLS wohl vorhanden, aber erst bei der Aufstockung der Liga im Jahr 2013 könnte ein Platz für Cosmos frei werden. Außerdem verlangt die MLS den Bau eines Fußballstadions. Den jüngsten Plänen des Cosmos-Vorstands zufolge soll dies im Stadtteil Queens errichtet werden.
»Ich wünsche dem Club sehr, dass das Comeback gelingt – das könnte gut für die Entwicklung des Fußballs in den USA sein«, sagt der Politologe Andrei Markovits von der University of Michigan. »Cosmos war früher ein enorm wichtiger Club. Er hat den Fußball auf die amerikanische Landkarte gesetzt, war der erste globale Fußballverein. Es wurde guter Fußball gespielt, und die Heimspiele waren gesellschaftliche Ereignisse. Das alles wurde und wird in Europa immer unterschätzt – aber in Europa wird ohnehin alles Amerikanische unterschätzt.«
Ob Cosmos wirklich eine blühende Zukunft bevorsteht, lässt sich Markovits zufolge allerdings kaum prognostizieren: »Es gibt sehr viele Faktoren, die sich nur schwer einschätzen lassen. Der Verein hat a priori eine gewisse Öffentlichkeit, weil der Name bekannt ist. Die Gründung eines FC Bronx würde niemanden interessieren. Wenn aber 2013 die sportlichen Leistungen nicht stimmen, bringt auch der glänzende Name nichts. Ich bin mir nicht sicher, welche Anlaufzeit die Sport-Fans dem Club erlauben werden.« Und er fügt hinzu: »Gerade in New York sind Erfolge sehr wichtig, denn dort ist das Angebot an gutem Profi-Sport riesig: Es gibt zwei Baseballteams, zwei Footballteams, zwei Basketballteams, drei Eishockeyteams, dazu noch Red Bull New York – es ist mit Sicherheit nicht leicht, sich da einen Platz zu erobern, zumal Fußball ein Nischenprodukt ist.«
Dass das angestrebte Derby zwischen Cosmos und Red Bull die Massen möglicherweise nicht elektrisieren wird, weil diese Rivalität irgendwie ein bisschen künstlich herbeigeführt werden soll, glaubt Markovits nicht: »Vielleicht braucht es ein bisschen Zeit, bis das Derby sich etabliert hat, aber was heißt denn schon künstlich? Was ist bitteschön nicht künstlich an der Rivalität zwischen Schalke und Dortmund zum Beispiel? Wenn etwas älteren Jahrgangs ist, nennen wir es achtungsvoll Tradition. Wenn etwas neuerer Provenienz ist, heißt es immer, dass es künstlich sei. Tradition muss aber ja auch irgendwann beginnen.«
Jetzt schon voller Vorfreude auf das Jahr 2013 sind die Mitglieder des Cosmos-Fan-Clubs Borough Boys – bei dem, anders als der Name vermuten lässt, auch Frauen mitmachen.
Zu den Gründungsmitgliedern gehört der 29jährige Brandon Sonnier aus Brooklyn. »Wir haben bereits T-Shirts, Schals und Fahnen entworfen und vertreiben sie übers Internet«, erzählt er. Der harte Kern trifft sich regelmäßig im Jack Demsey’s Pub in Manhattan, mehr als 1 000 Interessierte werden per Newsletter über Aktivitäten informiert.
Gegründet 2007, waren die Borough Boys ursprünglich kein Cosmos-Fanclub, sondern eine Initiative für einen MLS-Club innerhalb der Stadtgrenzen New Yorks. Denn Red Bull spielt in New Jersey, und das ist für echte, snobistische New Yorker ein Kuhdorf und viel zu weit weg. Die allzu offensichtliche Verbindung zu einem Getränkehersteller passt den Borough Boys ebenfalls nicht, das erschwere die Identifikation. Anfangs setzten sie ihre Hoffnungen in Fred Wilpon, den Besitzer der New York Mets. Dieser äußerte die Absicht, einen MLS-Club zu gründen, kam aber nie so richtig in die Gänge.
»Die ersten Gerüchte über ein Cosmos-Comeback haben wir skeptisch aufgenommen«, sagt Sonnier. »Es war unklar, wie ernsthaft die neuen Namensinhaber daran interessiert sind, ein Team in die MLS zu bringen. Seit einem Treffen mit Paul Kemsley sind wir aber sicher, dass sie einen fundierten Plan haben. Wir versuchen, so eng wie möglich mit dem Club zusammenzuarbeiten und eine lebendige Fanszene aufzubauen.«
Ein Vorbild finden Sonnier und einige seiner Mitstreiter in der Bundesliga. »Viele von uns haben große Sympathien für die Fans des FC St. Pauli«, sagt Sonnier. »Sie sind stolz auf ihren Verein und unterstützen ihn auf eine beeindruckende Weise. Wir würden gern denselben Geist im Stadion haben.«
Doppelhalter mit politischen Statements, wie sie in der Südkurve des Millerntors üblich sind, wird man im Cosmos-Stadion vermutlich nicht sehen. »In den USA ist so eine Vermischung von Sport und Politik nicht sehr verbreitet«, sagt Sonnier. »Obwohl man die meisten unserer Mitglieder wohl als progressiv bezeichnen könnte, sind wir kein politischer Fanclub. Klar ist, dass wir Diskriminierung wie Rassismus, Homophobie oder Sexismus nicht tolerieren. New York ist eine bunte, vielfältige Stadt – und so soll auch unsere Fanszene sein.«
Eine gewisse Sangesfreude sollten die zukünftigen Fans auch mitbringen. »Wir sammeln Lieder in einem Songbook, das jetzt schon 50 Seiten stark ist«, sagt Sonnier stolz. »Unsere Hymne ist, ›Bridge over troubled water‹ – eine schöne Ballade, die zwei Jungs aus Queens komponiert haben. Diesen Song wollen wir vor jedem Anpfiff singen.« Könnte schön klingen. Zeit zum Üben haben die Borough Boys jedenfalls noch genug.